Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Niemalsland

Titel: Niemalsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
Vom Netzwerk:
verschwand.
    »Na, so was«, sagte Door. »Jetzt warten wir.«
    Sie ging zu dem Bücherregal in der Ecke des Schlafzimmers hinüber, fand ein Exemplar von Mansfield Park, von dessen Existenz Richard bisher nichts gewußt hatte, und ging ins Wohnzimmer.
    Richard folgte ihr. Sie machte es sich auf seinem Sofa bequem und schlug das Buch auf.
    »Ist das die Abkürzung von Doreen?« fragte er.
    »Was?«
    »Dein Name.«
    »Nein.«
    »Wie wird das geschrieben?«
    »D-o-o-r. Wie Tür.«
    »Aha.« Er mußte etwas sagen, deshalb sagte er: »Was ist denn das für ein Name?«
    Und sie sah ihn mit ihren merkwürdig gefärbten Augen an, und sie sagte: »Mein Name.« Dann wandte sie sich wieder Jane Austen zu.
    Richard ergriff die Fernbedienung und stellte den Fernseher an. Dann schaltete er um. Schaltete noch mal um. Seufzte. Schaltete noch mal um.
    »Und, worauf warten wir?«
    Door blätterte um. Sie blickte nicht auf. »Auf eine Antwort. «
    »Was für eine Antwort?«
    Sie zuckte mit den Schultern.
    »Ach so.«
    Ihm fiel auf, daß ihre Haut sehr weiß war, jetzt, wo sie größtenteils von Schmutz und Blut befreit war. Er fragte sich, ob sie so blaß war, weil sie krank war oder weil sie soviel Blut verloren hatte. Oder ob sie einfach nicht viel an die frische Luft kam. Vielleicht hatte sie im Gefängnis gesessen. Obwohl sie dafür etwas zu jung aussah. Vielleicht hatte der große Mann doch die Wahrheit gesagt, als er meinte, sie sei verrückt …
    »Hör mal, als diese Männer hier waren …«
    »Männer?« Ein Blitz aus den merkwürdig gefärbten Augen. »Croup und ähm, Vanderbilt.«
    »Vandemar.« Sie überlegte einen Moment und nickte dann. »Ja, ich schätze, man könnte sie Männer nennen. Sie haben beide zwei Beine, zwei Arme und einen Kopf.«
    Richard fuhr fort. »Als die vorhin hier waren. Wo warst du da?«
    Sie leckte einen Finger an und blätterte um. »Ich war hier.«
    »Aber – «
    Ihm fehlten die Worte. In der Wohnung gab es nichts, wo sie sich hätte verstecken können. Aber verlassen hatte sie sie auch nicht. Aber –
    Ein Kratzen war zu hören, und ein dunkler Umriß huschte aus dem Haufen Videokassetten unter dem Fernseher hervor.
    »Ach du Scheiße!« sagte Richard, und er warf mit aller Kraft die Fernbedienung danach. Krachend landete sie in den Videokassetten. Von der dunklen Gestalt keine Spur.
    »Richard!« sagte Door.
    »Schon gut«, erklärte er. »Ich glaube, es war nur eine Ratte oder so was.«
    Sie funkelte ihn zornig an. »Natürlich war es eine Ratte! Jetzt hast du ihr Angst gemacht. Das arme Ding.« Sie blickte sich im Zimmer um, und dann machte sie zwischen den Vorderzähnen ein leises Pfeifgeräusch. »Hallo? « rief sie. Sie kniete auf dem Boden, Mansfield Park war vergessen. »Hallo?«
    Sie warf Richard einen wütenden Blick zu. »Wenn du ihr wehgetan hast … «, drohte sie, und dann sagte sie sanft ins Zimmer: »Tut mir leid, er ist ein Idiot, hallo?«
    »Ich bin kein Idiot«, sagte Richard.
    »Psst!« sagte sie. »Hallo?«
    Zwei kleine schwarze Augen lugten unter dem Sofa hervor. Der Rest des Kopfes folgte, und sie musterte mißtrauisch ihre Umgebung. Sie war viel zu groß für eine Maus, daran bestand kein Zweifel.
    »Hi!« sagte Door warm. »Alles in Ordnung?«
    Sie streckte ihre Hand aus. Das Tier kletterte hinein, lief dann ihren Arm hoch und kuschelte sich in die Armbeuge. Door streichelte mit dem Finger seine Flanke. Es war dunkelbraun und hatte einen langen rosa Schwanz. Etwas, das aussah wie ein gefaltetes Stück Papier, war an seiner Seite befestigt.
    »Das ist eine Ratte«, sagte Richard. Er fand, es gab Momente, in denen es verzeihlich war, das Offensichtliche zu sagen.
    »Ja. Willst du dich nicht entschuldigen?«
    »Was?«
    »Entschuldige dich.«
    Vielleicht hatte er sie nicht richtig verstanden. Vielleicht war er derjenige, der verrückt wurde. »Bei einer Ratte?«
    Door sagte ziemlich bedeutungsschwanger nichts.
    »Es tut mir leid«, sagte Richard würdevoll zu der Ratte, »wenn ich dich erschreckt habe.«
    Die Ratte schaute zu Door auf.
    »Nein, er meint es ernst«, sagte sie. »Das sagt er nicht nur so daher. Und, was hast du für mich?«
    Sie fingerte an der Ratte herum und zog ein vielfach gefaltetes Stück braunes Papier hervor, das, wie Richard schien, mit einem leuchtend blauen Gummiband befestigt war.
    Sie öffnete es: ein brauner Papierfetzen mit einer spinnenhaften schwarzen Handschrift darauf.
    Sie las es und nickte. »Danke«, sagte sie zu der Ratte. »Für alles,

Weitere Kostenlose Bücher