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Niemalsland

Titel: Niemalsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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begann statt dessen unverzüglich, besinnungslos dazuliegen. »Ich glaube, wir haben genug gesehen«, sagte der Marquis laut. »Ich danke Ihnen allen. Mister Varney, könnten Sie bitte noch hierbleiben?«
    »Warum mußtest du herkommen?« fragte Door frostig.
    »Mir blieb kaum eine andere Wahl«, erwiderte Richard.
    Sie seufzte.
    Der Marquis schritt den Kreis ab, entließ die Leibwächter, die sich bereits vorgestellt hatten, verteilte hier ein paar lobende Worte, dort einen guten Rat. Varney wartete geduldig ein wenig abseits.
    Unsicher lächelte Richard Door an. Keine Reaktion.
    »Wie bist du zum Markt gekommen?« fragte sie.
    »Es gibt da diese Rattenmenschen – « begann Richard.
    »Rattensprecher«, sagte sie.
    »Und, weißt du, die Ratte, die uns die Nachricht des Marquis gebracht hat – «
    »Master Longtail«, sagte sie.
    »Also, der hat ihnen gesagt, sie sollten mich herbringen. «
    Sie zog eine Augenbraue hoch und legte den Kopf leicht zur Seite. »Ein Rattensprecher hat dich hergebracht ?«
    Er nickte. »Fast den ganzen Weg. Ihr Name war Anaesthesia. Sie … na ja, ihr ist etwas zugestoßen. Auf der Brücke. Den Rest des Wegs hat mich eine andere Lady begleitet. Ich glaube, das war eine. Du weißt schon.« Er zögerte, dann sagte er es. »Nutte.«
    Der Marquis war zurückgekehrt. Er baute sich vor Varney auf, der widerlich selbstzufrieden aussah.
    »Welche Waffen beherrschen Sie?« fragte der Marquis.
    »Puh«, sagte Varney. »Ich will’s mal so ausdrücken: Varney kann mit allem umgehen, womit man Leute stechen, ihnen den Kopf wegpusten, die Knochen brechen oder häßliche Löcher zufügen kann.«
    »Wo waren Sie früher beschäftigt?«
    »Bei Olympia, der Sheperd Queen, den Crouch Endern. Außerdem habe ich ein bißchen für den Sicherheitsdienst von May Fair gearbeitet.«
    »Nun ja«, sagte der Marquis de Carabas. »Wir alle sind von Ihren Fähigkeiten sehr beeindruckt.«
    »Ich dachte«, sagte eine weibliche Stimme, »Sie hätten eine Stelle für einen Leibwächter ausgeschrieben. Nicht für einen blutigen Laien.«
    Ihre Haut hatte die Farbe warmen Karamels, und ihr Lächeln hätte eine Revolution aufhalten können. Sie war ganz und gar in weiches graubraunes Leder gekleidet.
    »Das ist sie«, flüsterte Richard Door zu. »Die Nutte.«
    »Varney«, sagte Varney beleidigt, »ist der beste Beschützer und Bravo der Unterseite. Das weiß doch jeder.«
    Die Frau sah den Marquis an. »Sind die Kämpfe schon beendet?« fragte sie.
    »Ja«, sagte Varney.
    »Nicht unbedingt«, sagte der Marquis.
    »Dann«, sagte sie ihm, »würde ich gern antreten.«
    Ein kurzer Moment verstrich, bis der Marquis de Carabas sagte: »Wie Sie wollen«, zurücktrat und sich auf die Räucherlachstheke schwang, von der aus er bequem zuschauen konnte.
    Varney war zweifelsohne gefährlich und vor allem ein brutaler Schläger, ein Sadist. Er schadete der körperlichen Gesundheit der Menschen in seiner Umgebung. Eine besonders schnelle Auffassungsgabe hatte er allerdings nicht. Er starrte den Marquis an, und der Groschen fiel und fiel und fiel immer noch. Schließlich fragte er ungläubig: »Gegen die soll ich kämpfen?«
    »Ja«, sagte die Lederfrau. »Es sei denn, Sie wollen sich erst noch ein bißchen hinlegen.«
    Varney begann zu lachen: ein irres Kichern.
    Einen Moment später hörte er auf zu lachen, denn die Frau hatte ihm mit Wucht in den Solarplexus getreten, und er kippte um wie ein Baum.
    Neben seiner Hand lag das Brecheisen auf dem Boden, das er in dem Kampf gegen den Zwerg benutzt hatte. Er schnappte es sich und rammte es der Frau ins Gesicht – zumindest hätte er es getan, wenn sie nicht ausgewichen wäre. Blitzschnell klatschte sie ihm ihre Handflächen auf die Ohren. Das Brecheisen flog quer durch den Raum.
    Noch wankend vor Ohrenschmerzen zog Varney ein Messer aus seinem Stiefel. Was danach passierte, wußte er nicht so genau: Nur daß die Welt plötzlich Kopf stand, und dann lag er mit dem Gesicht auf der Erde, Blut kam ihm aus den Ohren, jemand hielt ihm sein eigenes Messer an die Kehle, und der Marquis de Carabas sagte:
    »Genug!«
    Die Frau sah auf, ohne das Messer von Varneys Kehle zu nehmen. »Und?« fragte sie.
    »Sehr eindrucksvoll«, sagte der Marquis.
    Door nickte.
    Richard war wie vom Donner gerührt: Ihm war, als hätte er gerade einen Cocktail aus Emma Peel, Bruce Lee und einem besonders gefährlichen Tornado erlebt, verfeinert mit einem großzügigen Schuß aus einem Naturfilm, den er mal gesehen

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