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Niemalsland

Titel: Niemalsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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an, als hätte er seinen Kater überwunden und wüßte genau, daß irgendwo über ihnen jemand einen schönen Tag genoß. »Das war in Ordnung. Leckeres Essen. Und keiner hat versucht, uns umzubringen.«
    »Ich bin sicher, das wird sich im Laufe des Tages noch ändern«, sagte Hunter völlig zutreffend. »In welcher Richtung geht es zu den Black Friars, Mylady?«
    Door hielt inne und konzentrierte sich.
    »Wir gehen am Fluß entlang«, sagte sie. »Dort drüben.«
    »Kommt er schon wieder zu sich?« fragte Mr. Croup.
    Mr. Vandemar piekte einen langen Finger in den leblosen Körper des Marquis. Dessen Atem ging flach. »Noch nicht, Mister Croup. Ich glaube, ich habe ihn kaputtgemacht. «
    »Sie müssen vorsichtiger mit Ihren Spielzeugen umgehen, Mister Vandemar«, sagte Mr. Croup.

Kapitel Elf
     
    »Hunter, worauf haben Sie es eigentlich abgesehen?« fragte Richard.
    Die drei gingen am Ufer eines unterirdischen Flusses entlang. Richard betrachtete respektvoll das graue Wasser, das eine Armlänge entfernt rauschte und wogte. Dies war nicht die Sorte Fluß, in den man hineinfiel und aus dem man dann wieder herausstieg. Es war die andere Sorte.
    »Abgesehen?«
    »Na ja«, sagte er. »Ich versuche, ins richtige London zurückzukommen und in mein altes Leben. Door will herausfinden, wer ihre Familie umgebracht hat. Und worauf haben Sie es abgesehen?«
    Sie quälten sich Schritt für Schritt am Ufer entlang. Hunter ging voraus. Sie sagte nichts.
    Der Fluß floß gemächlicher und mündete in einen kleinen unterirdischen See. Sie gingen am Ufer entlang, ihre Lampen spiegelten sich im schwarzen Wasser, die Reflexion wurde vom Flußnebel verwischt.
    »Also, was ist es?« fragte Richard. Eigentlich erwartete er gar keine Antwort.
    Hunters Stimme war leise und eindringlich. Sie ließ sich nicht aus dem Takt bringen. »Ich habe in der Kanalisation unter New York mit dem großen blinden weißen Alligatorkönig gekämpft. Er war neun Meter lang, mit Abwässern gemästet und ein gefährlicher Gegner. Und ich habe ihn besiegt, und ich habe ihn getötet. Seine Augen waren wie riesige Perlen in der Finsternis.«
    Ihre Stimme mit dem seltsamen Akzent hallte durch den Untergrund, vom Nebel umschlungen.
    »Ich habe mit dem Bären gekämpft, der in der Stadt unter Berlin jagte. Er hatte tausend Männer getötet, und das getrocknete Blut von hundert Jahren klebte braun und schwarz an seinen Klauen, aber mir mußte er sich geschlagen geben. Er flüsterte Worte in einer menschlichen Sprache, als er starb.«
    Der Nebel hing tief über dem See. Richard bildete sich ein, er könne die Kreaturen sehen, von denen sie sprach, weiße Schemen, die sich im Dunst krümmten.
    »Es gab einen schwarzen Tiger in der Unterstadt von Kalkutta. Einen Menschenfresser, intelligent und verbittert, von der Größe eines kleinen Elefanten. Ein Tiger ist ein würdiger Gegner. Ich habe ihn mit meinen bloßen Händen besiegt.«
    Er warf Door einen Blick zu. Sie lauschte Hunter aufmerksam: Dies war also auch ihr neu.
    »Und ich werde das Ungeheuer von London erlegen. Es heißt, sein Fell starre vor Schwertern und Speeren und Messern von jenen, die vergeblich versucht haben, es zu töten. Seine Stoßzähne sind Rasiermesser, und seine Hufe sind Donnerkeile.
    Ich werde es töten, oder ich werde bei dem Versuch umkommen.«
    Ihre Augen leuchteten bei dem Gedanken an ihre Beute. Der Flußnebel wurde langsam zu einer dicken gelben Brühe.
    Eine Glocke schlug nicht weit von ihnen dreimal. Man hörte sie über das Wasser schallen.
    Es wurde langsam heller. Richard glaubte, er könne um sie herum die Umrisse von Gebäuden erkennen. Der gelbgrüne Nebel verdickte sich: Er schmeckte nach Asche und dem Schmutz von tausend Jahren in der Stadt. Er klebte an ihren Lampen und dämpfte das Licht.
    »Was ist das?« fragte er.
    »Der Londoner Nebel«, sagte Hunter.
    »Aber den gibt es doch schon seit Jahren nicht mehr, oder? Seit dem Clean Air Act und so weiter.« Richard ertappte sich dabei, wie er an die Sherlock-Holmes-Bücher seiner Kindheit dachte. »Wie wurde er genannt?«
    »Erbsensuppe«, sagte Door. »Waschküche. Auf der Oberseite hat es jetzt seit bestimmt vierzig Jahren keinen mehr gegeben. Sein Geist spukt bei uns hier unten. Hm. Kein Geist. Eher ein Echo.«
    Richard atmete einen Strang des gelbgrünen Nebels ein und begann zu husten.
    »Das klingt gar nicht gut«, sagte Door.
    »Hab’ was in den falschen Hals gekriegt«, sagte Richard.
    Der Boden wurde klebriger,

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