Niemalsland
wie schnell die Haut abgeht?«
»Hier entlang«, sagte der Abt.
»Bei ihm sind Sie an der falschen Adresse«, sagte Door. »Nehmen Sie eine von uns.«
»Drei von euch sind gekommen. Es gibt drei Prüfungen. Jeder von euch absolviert eine Prüfung: So ist es gerecht«, sagte der Abt. »Wenn er die Bewährungsprobe besteht, kehrt er zu euch zurück.«
Eine leichte Brise lockerte den Nebel ein wenig auf. Die anderen dunklen Gestalten waren, wie Richard es sich gedacht hatte, weitere Black Friars. Jeder Mönch hielt eine Armbrust in den Händen. Jede Armbrust war auf Richard oder auf Hunter oder auf Door gerichtet. Sie schlossen die Reihen und schnitten Richard so von Hunter und Door ab.
»Wir suchen einen Schlüssel – «, sagte Richard.
»Ja«, sagte der Abt.
»Er ist für einen Engel«, erklärte Richard.
»Ja«, sagte der Abt. Er streckte eine Hand aus und fand Bruder Fuliginous’ Armbeuge.
Richard senkte die Stimme. »Hören Sie, einem Engel kann man doch keine Bitte abschlagen, besonders nicht als Mann Gottes wie Sie … Warum lassen wir die Sache mit der Bewährungsprobe nicht einfach aus? Wenn Sie mir den Schlüssel geben, sage ich den anderen, wir hätten die Prüfung gemacht.«
Der Abt begann, die Wölbung der Brücke hinabzugehen. An ihrem Fuß befand sich eine Tür, die offenstand. Richard folgte ihm. Manchmal kann man einfach nichts tun.
»Als unser Orden gegründet wurde, wurde uns der Schlüssel anvertraut. Er ist eine der heiligsten und mächtigsten Reliquien, die es gibt. Wir müssen ihn weitergeben, aber nur an denjenigen, der die Bewährungsprobe besteht und sich als würdig erweist.«
Richard hinterließ eine Spur nassen Schlamms auf dem Weg durch die gewundenen, engen Korridore.
»Wenn ich die Prüfung nicht bestehe, dann bekommen wir den Schlüssel nicht, oder?«
»Nein, mein Sohn.«
Richard dachte kurz darüber nach. »Könnte ich es ein zweites Mal probieren?«
»Eher nicht, mein Sohn«, sagte der Abt. »Wenn das geschehen sollte, bist du aller Wahrscheinlichkeit nach …«, er zögerte und sagte dann: »… jenseits von Gut und Böse. Aber sorge dich nicht, vielleicht bist du derjenige, dem der Schlüssel zufällt, hm?«
In seiner Stimme lag etwas gespenstisch Beruhigendes, das viel erschreckender war als jeder Versuch, Richard Angst zu machen.
»Sie würden mich umbringen?«
Der Abt starrte mit milchigblauen Augen geradeaus. Seine Stimme klang ein klein wenig vorwurfsvoll. »Wir sind heilige Männer«, sagte er. »Nein, die Bewährungsprobe bringt dich um.«
Sie gingen eine Treppe hinunter in einen niedrigen Raum, eine Art Krypta mit seltsam geschmückten Wänden.
»Jetzt«, sagte der Abt. »Lächeln!«
Ein elektrischer Kamerablitz zischte auf und blendete Richard für einen Moment. Als er wieder sehen konnte, hatte Bruder Fuliginous die abgenutzte Polaroidkamera wieder gesenkt und riß gerade das Foto heraus.
Der Mönch wartete, bis es fertig entwickelt war, und dann heftete er es an die Wand.
»Das hier sind die, die es vergeblich versucht haben«, seufzte der Abt. »Wir haben ihnen eine Wand gewidmet, damit keiner von ihnen vergessen wird. Auch das ist unsere Pflicht: Gedenken.«
Richard starrte die Gesichter an. Ein paar Polaroids; zwanzig oder dreißig andere Fotos, ein paar Gummidrucke und Daguerrotypien; und danach Bleistiftskizzen und Aquarelle und Miniaturen. Sie zogen sich an der ganzen Wand entlang. Die Mönche betrieben das schon seit geraumer Zeit.
Door schauderte. »Ich bin so dumm«, murmelte sie. »Das hätte ich wissen müssen. Schließlich sind wir zu dritt. Ich hätte nicht so voreilig sein dürfen.«
Hunters Kopf bewegte sich von einer Seite zur anderen. Sie hatte sich die Position eines jeden Mönchs, einer jeden Armbrust eingeprägt; sie hatte das Risiko berechnet, mit dem sie Door über die Brücke schaffen konnte: erstens unverletzt, zweitens leichtverletzt, und drittens, wenn sie selber schwere, Door aber nur leichte Verletzungen erleiden würde. Jetzt rechnete sie alles noch einmal nach. »Und was hätten Sie anders gemacht, wenn Sie es gewußt hätten?« fragte sie.
»Vor allem hätte ich ihn nicht hierher mitgenommen«, sagte Door. »Ich hätte den Marquis geholt.«
Hunter legte den Kopf zur Seite. »Trauen Sie ihm?« fragte sie direkt, und Door wußte, daß sie de Carabas meinte und nicht Richard.
»Ja«, sagte Door. »Mehr oder weniger.«
Door war seit gerade zwei Tagen fünf Jahre alt. Der Markt wurde an jenem Tag in den Gärten von
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