Niemand, Den Du Kennst
geäußert.«
McConnell senkte peinlich berührt den Blick. »Er stand schon immer auf meiner Seite.«
»In seinem Büro lag ein Buch mit einem Doppeltorus auf dem Umschlag. Ich wollte Sie nach Lilas Tätowierung fragen. Warum hat sie sich den Doppeltorus ausgesucht?«
»Sie hatte ein Faible für Topologie. In der Topologie kann man Formen biegen und dehnen, und sie bleiben im Wesentlichen gleich - eine Kugel ist identisch mit jeder Kugel oder jedem Kubus beziehungsweise sogar mit jedem geschlossenen Körper, wie dem Bett, auf dem ich sitze, oder dem Läufer unter unseren Füßen. Doch sobald man ein Loch in einen Körper macht, ist er nicht mehr äquivalent. Ein Doppeltorus also, die beiden aneinandergeklebten Reifen, ist äquivalent zu jedem Raum mit zwei Löchern, zum Beispiel also einem Pokal mit zwei Griffen. Lila gefiel das Konzept, dass ein Gegenstand drastisch umgeformt werden kann und gleichzeitig in jeder wirklich bedeutungsvollen Hinsicht gleich bleibt. Der
Doppeltorus ist unter diesem Aspekt eine besonders reiche Form.«
»In dem Heft«, sagte ich, »hat Lila ein Zitat notiert: ›Eine Gleichung hat für mich keinen Sinn, wenn sie nicht einen göttlichen Gedanken zum Ausdruck bringt.‹ «
Peter lächelte. »Ramanujan. Er glaubte, seine Inspiration käme von Namagiri, der Familiengottheit.«
»Sehen Sie Gott in den Zahlen?«, fragte ich.
»In einer Gleichung geht es nicht unbedingt um Zahlen. Es geht um Muster. Das Universum wird von mathematischen Mustern reguliert. Schwerkraft, Stringtheorie, Chaosforschung, Quantenmechanik - all das kann durch Gleichungen ausgedrückt werden. F = Gbeispielsweise ist eine der grundlegendsten Gleichungen unseres Universums. Es gibt die These, dass, wenn man eine Gleichung für etwas aufstellen kann, dieses Etwas existiert. Weil man eine Gleichung schreiben kann, die einen riesigen, leeren, dreidimensionalen Raum beschreibt, existiert ein solcher Raum. Wenn das Wesen Gottes die Schöpfung ist, dann ja, dann kann man sagen, eine schöne Gleichung drückt einen göttlichen Gedanken aus.«
Er drehte den Kopf zur Seite und lächelte in sich hinein. »Im Vergleich zu Lila war ich immer eher ein Banause. Meine Lieblingsgeschichte über Ramanujan ist die, als Hardy ihn im Krankenhaus besuchen kam. Hardy sagte: ›Ich bin in einem Taxi mit der Nummer 1729 gekommen. Das ist eine langweilige Zahl.‹ Worauf Ramanujan antwortete: ›Nein, es ist eine sehr interessante Zahl; es ist die kleinste natürliche Zahl, die auf zwei unterschiedliche Arten als Summe zweier Kubikzahlen dargestellt werden kann.‹« McConnell hielt inne. »Aber Sie sind nicht wegen einer Mathestunde gekommen.«
»Lilas Notizbuch«, begann ich zögerlich. »Warum hatten Sie es?«
»Sie gab es mir an jenem Abend im Restaurant. Sie hatte eine neue Idee - einen Geistesblitz, wie sie es nannte - für eine Annäherung an die Goldbachsche Vermutung gehabt, und sie wollte meine Meinung dazu hören. Leider sagte ich ihr aber, ich wolle nicht über Mathematik sprechen. Einen Abend lang wollte ich die Arbeit beiseiteschieben und über andere Dinge reden, über persönliche Dinge. Wir mussten uns Gedanken über meine Ehe machen und was wir langfristig unternehmen sollten. Außerdem gab es noch so vieles, was ich von ihr erfahren, so viele Fragen, die ich ihr stellen wollte. Letztendlich willigte sie ein, aber nur unter der Bedingung, dass ich ihr Notizbuch mit nach Hause nähme und ihre neuen Vorschläge überprüfte, damit wir sie am nächsten Tag diskutieren könnten.«
»Und was hat sie Ihnen erzählt?«, fragte ich. »Was haben Sie an diesem Abend über Lila erfahren, was Sie nicht schon wussten?«
»Ich fragte sie nach dem schönsten Moment ihres Lebens.«
»Und hat sie geantwortet?«
»Ja. Sie erzählte mir von einer Reise, die Sie beide zusammen nach Europa gemacht hatten, nachdem Sie mit der Schule fertig waren.«
»Pascal in Paris«, sagte ich lächelnd.
Er sah mich fragend an.
»Sie hatte davon geträumt, Pascals Grab in Paris zu sehen. Auf dieser Reise ging der Traum endlich in Erfüllung. Ich hatte sie noch nie so aufgeregt gesehen.«
»Das war es aber nicht«, sagte Peter.
»Nicht?«
»Nein, sie erzählte von einer Unterkunft in Venedig. Sie beide waren schon wochenlang unterwegs, und alle Kleider waren schmutzig. Ihnen machte das nicht viel aus, erzählte
Lila; Sie konnten sich mit allem arrangieren, und für Sie war alles an dieser Reise ein Abenteuer, selbst die dreckige Wäsche. Aber
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