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Niemand hört dich schreien (German Edition)

Niemand hört dich schreien (German Edition)

Titel: Niemand hört dich schreien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Burton
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Mutter vorher nie so glücklich gesehen. Und ihr Daddy freute sich wie ein Schneekönig, trotz seiner Vorbehalte.«
    »Wo kam ich her?«
    »Das hat Ihre Mom nie gesagt. Sie meinte, es sei das Beste, die Vergangenheit ruhen zu lassen.«
    Kendalls Hoffnungen zerplatzten wie eine Seifenblase. »Sie hat Ihnen nie etwas erzählt?«
    »Nun, ich weiß jedenfalls, dass Sie irgendwo hier aus der Nähe kamen.«
    »Warum denken Sie das?«
    »Ihre Mom rief mich an, bevor sie losfuhren, um Sie zu holen. Sie sagte, sie hätten ›den Anruf erhalten‹. Das war gegen Mitternacht. Am nächsten Morgen waren sie zurück. Da habe ich dann das Foto gemacht, auf dem Irene Sie auf dem Arm hält.«
    »Und Mom hat nie etwas über meine ursprüngliche Familie gesagt? Ich war drei. Ich muss doch einige Zeit bei meinen leiblichen Eltern verbracht haben.«
    Jenny drückte die Hände gegen ihre Lippen und schien sich mühsam die Vergangenheit in Erinnerung zu rufen. »Ich erinnere mich, dass Sie ein blaues Kleid, weiße Socken und braune Schnürschuhe anhatten. Auf dem Kleid war ein Fleck. Irene hat es weggetan.«
    »Wissen Sie, womit es verschmutzt war?«
    »Nein. Und Sie rochen nach Äpfeln und Zimt.«
    Kendall gierte nach den Einzelheiten, als wären es Kostbarkeiten.
    »Ich habe Irene ein paarmal gefragt, wo Sie herkamen. Sie war sehr wortkarg bei diesem Thema. Und dann eröffnete sie mir eines Tages aus heiterem Himmel, dass Sie drei auf die andere Seite des Flusses ziehen würden. Ich erinnere mich, dass sie sehr durcheinander war, als sie mir sagte, dass sie weggehen würden. Innerhalb von zwei Wochen war das Haus verkauft, und sie waren fort.«
    Irene Shaw war einer der vernünftigsten und praktischsten Menschen gewesen, die Kendall je gekannt hatte. Es sah ihr überhaupt nicht ähnlich, einfach ihre Sachen zu packen und wegzuziehen.
    »Haben Sie irgendeine Ahnung, was Mom so sehr aus der Fassung gebracht haben könnte?«
    Jenny beugte sich vor. »Ich saß hinten auf der Veranda. Es war Winter, aber ich hatte damals Hitzewallungen.« Sie lächelte. »Sie sind zu jung, um davon schon eine Ahnung zu haben. Jedenfalls waren Ihre Mom und Ihr Dad auch hinten auf ihrer Veranda. Sie haben mich nicht gesehen. Ich hörte, wie sie über Sie sprachen. Ihre Mutter hatte an dem Tag einen Anruf erhalten, und er hatte ihr Angst gemacht. Sie fürchtete um Ihre Sicherheit. Auch Ihr Dad war besorgt.«
    »Haben sie noch etwas gesagt?«
    »Nein. Aber sie gehörten nicht zu der Sorte Mensch, die sich leicht ängstigt.«
    Kendall konnte ihre Enttäuschung nicht verbergen.
    Jenny nickte bedeutsam. »Ich hatte den Eindruck, dass es bei dem Anruf um Ihre Familie ging. Ihre andere Familie.«
    Kendall beugte sich vor. »Meine ursprüngliche Familie?«
    »Ja.«
    »Wissen Sie, wer da angerufen hat?«
    »Nein. Irene hat den Anruf mir gegenüber nie erwähnt. Aber sie redete immer wieder von ihm . Wer auch immer das war.«
    Kendall blickte auf ihre Kinderfotos hinunter. Was hat Mom so furchtbar erschreckt?
    Es war nach Mitternacht, als Kendall in ihre Garage fuhr.
    Sie hatte es am Nachmittag rechtzeitig in den Sender geschafft, aber sie war abgelenkt gewesen. In den Nachrichten hatte sie einen Namen falsch ausgesprochen und war beim Versuch, sich zu korrigieren, ins Stottern geraten. Das war ihr noch nie passiert.
    Sie schob es auf ihre Zerstreutheit. Immer wieder ging sie im Geist das Gespräch mit Jenny durch, und mit jedem Mal wuchs ihre Frustration.
    Brett war glücklicherweise freundlich gewesen, und ihr Streit war nicht zur Sprache gekommen. Aber natürlich war er zu sehr Profi, als dass er sie vor einer Sendung aufgeregt hätte. Er würde später zuschlagen, wenn es ihm in den Kram passte.
    Doch jetzt kümmerte sie das nicht. Sie war körperlich und emotional ausgelaugt. Draußen war es eiskalt, und dicke Wolken verdeckten Mond und Sterne. Sie stellte den Motor ab und nahm ihre Handtasche.
    Trotz der späten Stunde kreisten ihre Gedanken – nicht um die Elfuhrsendung, sondern um ihre Besuche bei Carnie und Jenny. Sie war bei der Suche nach ihrer Herkunft keinen Schritt weitergekommen.
    Sie stieg aus und fröstelte. Sie konnte es kaum erwarten, die hochhackigen Schuhe auszuziehen und sich eine Tasse Tee zu machen. Sie drückte die Zentralverriegelung, und der Wagen signalisierte mit einem Piepston, dass er abgeschlossen war.
    Kendalls Absätze klapperten auf dem Betonboden der Garage, als sie auf das Tor zuging. Eine Lampe mit Bewegungsmelder, die in der Garage

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