Niemand hört dich schreien (German Edition)
dichtem Schnurrbart, leuchtete mit der Taschenlampe auf den Ausweis. »Was haben Sie so spät noch draußen gemacht, Sir?«
»Ich habe den Müll rausgebracht. Sie können die Tonne überprüfen, wenn Sie wollen. Sie ist voller Umzugskartons.«
Der andere Polizist war dünn und hatte verhärmte Gesichtszüge. Er ging zu Markhams Mülltonne und schaute hinein. »Sie ist voller Kartons.«
Markham sah selbstgefällig drein.
Der erste Beamte blickte zu Kendall herüber. »Es ist eine in Virginia ausgestellte Fahrerlaubnis, und die Adresse lautet auf das Grundstück hinter Ihrem. Lassen Sie sie mich nur rasch überprüfen.«
Kendall atmete heftig aus. Mist. Sie hatte überreagiert.
Markham nahm die Hände herunter. Seine Körperhaltung blieb ganz entspannt und wirkte in keiner Weise bedrohlich. Er sah Kendall an, als wollte er sagen: ›Ich habe es Ihnen ja gesagt.‹
Sie streckte das Kinn vor. Sie wollte nicht zugeben, dass sie sich geirrt hatte, bis der Polizist zurückkehrte.
Der Beamte kam und händigte Markham seinen Führerschein aus. »Sie können gehen. Keinerlei Festnahmen oder Verwarnungen.«
Markham verstaute den Führerschein in der Brieftasche und steckte sie wieder ein.
»Entschuldigen Sie bitte die Umstände«, sagte der Beamte.
Markham lächelte. »Keine Ursache. Sie haben nur Ihren Job gemacht.«
Der Beamte blickte Kendall an. »Sollen wir Sie hineinbegleiten?«
»Nein, ich komme schon klar. Danke.«
Die beiden Polizisten nickten, stiegen in ihren Wagen und fuhren rückwärts aus dem schmalen Schotterweg.
Kendall sah Markham an, entschuldigte sich jedoch nicht. Es war ihr gutes Recht, auf ihre Sicherheit bedacht zu sein. »Willkommen in der Nachbarschaft.«
Er deutete ein Lächeln an, das beinahe jungenhaft wirkte. »Begrüßen Sie alle Ihre Nachbarn auf diese Art?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nur die großen, unheimlichen, die mich mitten in der Nacht in meiner Einfahrt erschrecken.«
Markham sah nicht gekränkt aus. »Und was machen Sie hier draußen?«
Die Frage verblüffte sie. »Ich komme gerade von der Arbeit.«
Er zog eine Braue hoch. »Und was ist das für eine Arbeit?«
Das kratzte an ihrem Ego. Sie war es gewöhnt, dass man sie erkannte. »Ich bin Kendall Shaw, die Moderatorin von Channel 10. Ich moderiere an den Wochentagen die Sechsuhr- und die Elfuhrnachrichten.«
»Tut mir leid.« Doch es klang überhaupt nicht so, als täte es ihm leid. »Ich sehe nicht fern.«
»Wer sieht denn nicht fern?«
»Leute, die lesen.«
»Manche schaffen auch beides.«
»Stimmt.«
Das Adrenalin war verebbt, und sie wurde sich wieder der Kälte und der späten Stunde bewusst. »Nun, Sie sollten sich mal Channel 10 ansehen. Wir sind der beste Sender der Stadt.«
»Da habe ich keinen Zweifel.«
Sie griff nach ihrer Mülltonne. »Und Sie, sind Sie aus Richmond?«
Er kam etwas näher, blieb aber auf Armeslänge entfernt stehen. »Nein. Ich bin aus dem Westen.«
»Von wo genau? Ich bin dort ein bisschen herumgekommen.«
Er zuckte die Schultern. »Ich habe überall gelebt. Aber ursprünglich komme ich aus Denver.«
»Und was hat Sie in den Osten geführt?«
»Die Arbeit.«
Neugierige Fragen zu stellen, lag ihr im Blut. »Was machen Sie denn beruflich?«
»Versicherungen.«
Das war eine Enttäuschung. Sie hatte etwas Abenteuerlicheres vermutet. »Ah.«
Er grinste, offensichtlich durchschaute er sie. »Nicht so aufregend, wie die Nachrichten zu moderieren.«
»Es hat sicher auch seine Reize«, sagte sie taktlos.
»Durchaus.«
»Da müssten Sie doch eigentlich tagsüber arbeiten.«
»Das tue ich auch. Ich brauche nur nicht viel Schlaf, und ich bin eine Nachteule.«
Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus. Kendall musste dringend ins Bett, stattdessen stand sie hier herum und plauderte mit einem Fremden. »Es ist spät, und ich hatte einen langen Tag. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend, Mr Markham.«
»Werde ich haben, Ms Shaw.« Er hielt ihren Blick gerade so lange fest, dass ihr ein kleines bisschen unbehaglich zumute wurde, bevor er lächelte. »Schlafen Sie gut, Kendall Shaw.«
Sie nannte sich inzwischen Amanda. Aber Allen kannte ihren wirklichen Namen, ihre wahre Identität. Für ihn war sie Rachel. Und schon bald würde sie ein Teil seiner Familie sein.
Er starrte zu ihrem Fenster hinauf und sah den Umriss ihrer biegsamen Gestalt hinter der Jalousie. Er konnte ihre schmale Taille und die vollen Brüste erkennen, während sie auf- und abging. Anscheinend telefonierte
Weitere Kostenlose Bücher