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Niemand hört dich schreien (German Edition)

Niemand hört dich schreien (German Edition)

Titel: Niemand hört dich schreien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Burton
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herankam. Er wollte einfach nur die weiche Haut an ihrem Hals berühren.
    Die Frau war weiterhin misstrauisch gewesen. Sie hatte das Auto aufgeschlossen und ihre Tasche hineingeworfen. »In Ordnung. Gute Nacht.«
    Sie hatte sich gebückt, um in den Wagen zu steigen. Er hatte die Fäuste in den Hosentaschen geballt. Sie sollte nicht gehen. Noch nicht. »Hey, wissen Sie vielleicht, wo ich heute übernachten kann? Irgendwo, wo es nicht zu teuer ist.«
    Sie hatte die Achseln gezuckt. »Am Stadtrand gibt es ein Motel. Es heißt Trail’s End . Niedrige Preise. Ziemlich sauber.«
    Er war ein paar Schritte näher herangegangen. »Danke. Wie komme ich denn von der Hauptstraße dorthin? Ich verfahre mich hier immer noch.«
    Ungeduld hatte ihre Augen verdunkelt. Sie war ins Auto gestiegen und hatte die Tür zugeschlagen. Hatte ihn zurückgewiesen. Ihn verschmäht. Ein alter Zorn, der tief in seinem Inneren schlummerte, war aufgeflackert. Innerhalb von Sekunden hatte er lichterloh in ihm gelodert.
    Sie hatte nach dem Zündschlüssel gesucht.
    Er hatte sich ein Lächeln abgerungen und ans Fenster geklopft. Damit sie ruhig blieb, war er einen Schritt zurückgetreten.
    »Hey, tut mir leid, dass ich Sie aufhalte, aber ich weiß immer noch nicht, wie ich von hier aus dorthin komme.«
    Sie hatte das Fenster heruntergekurbelt. Jetzt, da der Wagen sie schützte, war sie etwas entspannter. »Einfach die Straße entlang. Sie können es nicht verfehlen.«
    »Gut, danke.« Er hatte beobachtet, wie sie ihre Aufmerksamkeit dem Schlüssel in ihrer Hand zuwandte.
    Miststück. Wie konnte sie es wagen? Er wollte doch nur nett sein.
    Während sie abgelenkt war, hatte er einen Satz nach vorne gemacht und sie am Nacken gepackt. Unter seinen schwieligen Fingern hatte ihr Puls gehämmert.
    Voller Panik hatte sie den Kopf gedreht und zu ihm hochgeschaut. Ein überwältigendes Verlangen hatte ihn durchzuckt, und er hatte stärker zugedrückt. Sie hatte ihren Schlüsselbund fallen lassen und versucht, seine Hände von ihrem Hals zu lösen. Dabei hatte sie ihn gekratzt.
    Der Schmerz hatte ihn wütend gemacht, und er hatte noch fester zugedrückt, was sie zum Husten brachte. Tränen waren ihr über das Gesicht gelaufen. Nie hatte er sich mächtiger gefühlt als in jenem Augenblick. Dann waren ihre Augen glasig geworden.
    Sie hatte das Bewusstsein verloren. Er hatte die Tür geöffnet und sie aus dem Auto gezogen. Er hatte sie auf die Rückbank seines Kleinlasters gelegt und sie mit einer Plane zugedeckt. Dann war er zu seinem Zuhause im Wald zurückgefahren.
    Zweiundsechzig Tage lang hatte er sie dabehalten. Das waren schöne Zeiten gewesen. Und schließlich war der Tag gekommen, um sie heimzuschicken. Er hatte sie erwürgt und ihre Leiche den Tieren im Wald überlassen.
    Allen konzentrierte sich wieder auf den Anhänger, der vor ihm lag. Das Gravierwerkzeug zitterte in seinen Händen. Selbst jetzt noch vermochte die Erinnerung ihn zu erregen.
    Er blinzelte und starrte durch das Vergrößerungsglas auf das Medaillon. Er atmete mehrmals tief ein und versuchte, ruhig zu werden, doch es gelang ihm nicht. Seine Hände waren zu unstet, um die Arbeit heute Abend zu vollenden.
    »Macht nichts. Es ist noch Zeit. Nur keine Eile.«
    Er betrachtete das R und lächelte.
    »Rachel geht nirgendwohin.«

13
    Mittwoch, 16. Januar, 13:30 Uhr
    Kendall fädelte sich in den Verkehr ein und überquerte zehn Minuten später die Huguenot Bridge, die sie in den Süden der Stadt führte, wo ihre Eltern und sie einst gelebt hatten. Schwere graue Wolken hingen über ihr, als sie in das Viertel abbog, das fünfzig Jahre zuvor entstanden war. Jedes Haus sah anders aus als alle anderen, was davon zeugte, dass die Häuser einzeln im Laufe der Zeit erbaut worden waren und nicht alle auf einmal von einer einzigen Baufirma, wie es bei den neueren Vierteln der Fall war. Die Gärten waren groß, die Bäume hoch, mit dicken Stämmen.
    Kendall fand den Briefkasten mit der Aufschrift »Thornton« und parkte in der Kieseinfahrt. Ihr Herz hämmerte, als sie das dreistöckige Haus betrachtete. Der winterliche Himmel ließ den weißen Anstrich stumpf wirken, sodass das Haus müde und verbraucht aussah. Buchsbaumsträucher und eine Kiefer brachten etwas Farbe in den Garten, dessen Beete ansonsten kahl waren.
    Kendall stieg aus und ging über den unebenen Plattenweg zu den paar Stufen, die zur Haustür führten. Sie stieg hinauf und klingelte. Sekunden verstrichen, kein Laut war zu hören. Einen

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