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Niemand hört mein Schreien: Gefangen im Palast Gaddafis (German Edition)

Niemand hört mein Schreien: Gefangen im Palast Gaddafis (German Edition)

Titel: Niemand hört mein Schreien: Gefangen im Palast Gaddafis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annick Cojean
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Bad befeuchtete sie mir das Haar und plusterte es mit einem Schaumspray auf. Mabruka prüfte mein Aussehen, nahm mich fest an die Hand und führte mich erneut zu Gaddafis Schlafzimmer. »Diesmal wirst du die Wünsche deines Herrn befriedigen, sonst bringe ich dich um!« Dann hat sie die Tür geöffnet und mich hineingeschubst. Der Führer saß auf dem Bett in Jogginghose und Unterhemd. Er rauchte eine Zigarette, blies sehr langsam den Rauch aus und sah mich dabei kalt an.
    »Du bist eine Hure«, sagte er. »Deine Mutter ist Tunesierin, also bist du eine Hure.« Er nahm sich Zeit, musterte mich von oben bis unten, von unten bis oben und blies den Rauch in meine Richtung. »Setz dich hier neben mich.« Er wies mir einen Platz auf dem Bett. »Du wirst alles tun, was ich von dir verlange. Ich werde dir Schmuck schenken und eine schöne Villa, ich werde dir das Autofahren beibringen, und du wirst einen eigenen Wagen haben. Du wirst sogar, wenn du möchtest, eines Tages im Ausland studieren können, ich selbst bringe dich hin, wo du willst. Ist dir klar, was das bedeutet? Deine Wünsche werden mir Befehl sein!«
    »Ich will zurück zu Mama.«
    Da erstarrte er, drückte seine Zigarette aus und wurde laut. »Hör mir mal gut zu! Damit ist es vorbei, verstanden? Schluss mit diesem Gerede vom Nach-Hause-Gehen. Du lebst jetzt bei mir! Alles andere vergisst du!«
    Ich konnte nicht glauben, was er sagte. Es überstieg meinen Verstand. Er zog mich zum Bett und biss mir in den Oberarm. Das tat sehr weh. Dann versuchte er mich auszuziehen. Ich fühlte mich schon so nackt in diesem blauen Minikleid, es war schrecklich, ich konnte das nicht mit mir geschehen lassen. Ich leistete Widerstand, krallte mich an den Trägern fest. »Zieh das aus, du Schlampe!« Er drückte mir die Arme zur Seite, ich sprang auf, er fasste mich wieder, warf mich aufs Bett, ich wehrte mich mit Händen und Füßen. Da stand er wutschnaubend auf und verschwand im Badezimmer. Im gleichen Augenblick erschien Mabruka im Türrahmen (erst später habe ich begriffen, dass er eine kleine Klingel am Bett hatte, um sie zu rufen).
    »Es ist das erste Mal, dass mir ein Mädchen solchen Widerstand leistet! Es ist deine Schuld! Ich hatte dir gesagt, dusollst es ihr beibringen. Sieh zu, wie du das machst, andernfalls wirst du es mir bezahlen!«
    »Mein Gebieter, lassen Sie dieses Mädchen gehen! Sie ist ein Dickschädel. Wir werfen sie ihrer Mutter wieder vor die Tür, und ich bringe Ihnen andere.«
    »Mach die hier gefügig. Die will ich haben!«
    Darauf führte man mich in den Laborraum und ließ mich dort im Dunkeln zurück. Für einen Moment kam Galina herein und gab mir mit mitleidigem Lächeln eine Decke. Aber wie hätte ich schlafen können? Ich durchlebte die Szene wieder und wieder und fand nicht die geringste Erklärung für das, was hier vor sich ging. Was hatte man meinen Eltern gesagt? Sicher nicht die Wahrheit, das war unmöglich. Aber was dann? Papa wollte ja noch nicht mal, dass ich zu den Nachbarn hinüberlief, und stets musste ich vor Einbruch der Dunkelheit zu Hause sein. Was also dachte er? Was stellte er sich vor? Würde man mir eines Tages glauben? Was für einen Grund hatte man der Schule genannt, um mein Fernbleiben zu erklären?
    Ich habe die ganze Nacht kein Auge zugetan. Im Morgengrauen, als ich vor Erschöpfung gerade in mich zusammensinken wollte, stand Mabruka plötzlich in der Tür. »Los, aufstehen! Wir fahren nach Sirte.« Oh, diese Erleichterung! »Also fahren wir zu Mama?«
    »Nein! Wir fahren woandershin!«
    Wenigstens verließen wir diesen grauenhaften Ort mitten im Nirgendwo und näherten uns wieder meinem Zuhause. Ich ging mich ein bisschen frisch machen, zog eine khakifarbene Uniform an, wie die Leibgarden von Gaddafi sie trugen, und kam zurück in den Salon, wo fünf andere Mädchen, gleichfalls in Uniform, zerstreut vor dem Fernseher saßen. Sie hatten Mobiltelefone in der Hand, und ich brannte vor Verlangen, sie zubitten, dass sie Mama anriefen. Aber Mabruka überwachte uns, und die Atmosphäre war eisig. Der monströse Wohnbus setzte sich in Bewegung, ich würde mich also irgendwohin fahren lassen, ich kontrollierte ja sowieso nichts mehr.
    Nach ungefähr einer Stunde Fahrt hielt der Bus. Man ließ uns aussteigen und verteilte uns auf mehrere Pkw. Jeweils zu viert in einen Wagen. In dem Augenblick wurde mir klar, dass wir einen Riesenkonvoi bildeten, mit jeder Menge Mädchen-Soldaten. Also, was heißt Soldaten ... Sagen wir, die so

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