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Niemand hört mein Schreien: Gefangen im Palast Gaddafis (German Edition)

Niemand hört mein Schreien: Gefangen im Palast Gaddafis (German Edition)

Titel: Niemand hört mein Schreien: Gefangen im Palast Gaddafis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annick Cojean
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mir einmal das riesige Tor gezeigt mit der gigantischen Plakatwand, die den Führer zeigte, auch die mehrere Kilometer lange Umgebungsmauer. Niemandem wäre es eingefallen, an dieser Mauer entlangzulaufen. Man wäre unter Spionageverdacht sofort festgenommen und bei der geringsten verdächtigen Bewegung erschossen worden. Es wurde sogar erzählt, ein unglückseliger Taxifahrer, dem am Fuß der Mauer fatalerweise ein Reifen platzte, sei mit seinem Wagen in die Luft gesprengt worden, noch bevor er ein Reserverad aus dem Kofferraum nehmen konnte. Und im gesamten umliegenden Viertel hatte man keinen Mobilfunkempfang.
    Wir ließen das Hauptportal hinter uns und fuhren in einen Bereich hinein, der mir unendlich groß erschien. Ganze Reihen strenger Gebäude mit schmalen Fensteröffnungen,eher Schlitzen, die vermutlich Soldatenunterkünfte waren. Rasenflächen, Palmen, Parkanlagen, Dromedare, einzelne karge Bungalows, ein paar im Grünen versteckte Villen. Abgesehen von zahlreichen Sicherheitsschleusen, die wir eine nach der anderen passierten, und einer Aufeinanderfolge von Mauern, deren Sinn ich nicht durchschaute, erschien mir der Ort nicht allzu unfreundlich. Vor einem großen Wohngebäude hielt der Wagen schließlich. Und schon war auch Mabruka da, die hier wohl die Hausherrin war. »Geh rein! Und bring deine Sachen auf dein Zimmer.« Ich folgte den Mädchen zu einem Eingang in Form einer abwärts führenden Betonpiste, an deren Ende es noch ein paar Stufen hinunterging und durch einen mit Metalldetektor versehenen Bogen. Die Luft war kühl und sehr feucht. Wir befanden uns offenbar im Kellergeschoss des Gebäudes. Amal, die im Auto neben mir gesessen hatte, zeigte mir einen kleinen, fensterlosen Raum. »Das hier wird dein Zimmer sein.« Ich stieß die Tür auf. Ein Spiegel bedeckte die Wände, so dass es unmöglich war, seinem Abbild zu entkommen. Zwei kleine Betten nahmen jeweils eine Ecke des Raums in Anspruch, außerdem gab es nur einen Tisch, einen Minifernseher und ein angrenzendes kleines Bad. Ich habe mich ausgezogen, mich geduscht und aufs Bett gelegt. Aber an Schlaf war nicht zu denken. Da habe ich den Fernseher eingeschaltet und zu ägyptischen Volksliedern leise geweint.
    Mitten in der Nacht kam Amal ins Zimmer. »Zieh dir schnell ein hübsches Nachthemd an, wir gehen beide rauf zum Führer.« Amal war eine richtige Schönheit. In Shorts und einem kleinen Seidentop sah sie umwerfend aus, sogar ich war beeindruckt. Ich zog das rote Hemdchen an, das sie mir zeigte,dann gingen wir eine kleine Treppe hinauf, die ich noch gar nicht bemerkt hatte, gleich rechts neben meinem Zimmer, und standen vor dem Schlafgemach des Meisters, genau über meinem Zimmer. Es war ein riesiger Raum, zum Teil mit verspiegelten Wänden, darin stand ein großes Bett mit Baldachin, von einem roten Tüllschleier verhängt wie bei den Sultanen aus Tausendundeiner Nacht, außerdem ein runder Tisch, Regale mit ein paar Büchern und DVDs sowie einer Kollektion Fläschchen mit orientalischen Parfums, die er sich häufig auf den Hals tupfte, schließlich ein Schreibtisch mit einem mächtigen Computer. Gegenüber dem Bett ging es durch eine Schiebetür in ein Bad mit großem Whirlpool. Ach, und bevor ich es vergesse: In der Nähe des Schreibtischs war ein kleiner Bereich zum Beten eingerichtet, mit einigen kostbaren Ausgaben des Korans. Ich erwähne das, weil es mich stutzig machte, denn ich habe Gaddafi nie beten sehen. Nie. Außer, als er einmal ein großes öffentliches Gebet sprechen musste. Wenn ich daran nur denke – was für eine Inszenierung!
    Als wir das Zimmer betraten, saß er in einem roten Jogginganzug auf seinem Bett. »Ah!«, brüllte er, »dann kommt tanzen, meine Schlampen! Los, los, los!« Er legte wieder dieselbe alte Kassette ein, schnalzte mit den Fingern und wiegte sich ein bisschen hin und her. » Du hast so stechende Augen, als wolltest du mit ihnen töten ... « Wie oft habe ich dieses alberne Lied seitdem hören müssen! Er bekam es nie über. Amal begann zu tanzen, sie steigerte sich vollkommen in ihr Spiel hinein, warf ihm schmachtende Blicke zu, die totale Anmache, ich konnte es nicht fassen. Ihr Körper schlängelte sich, sie ließ ihre Pobacken wackeln, ihre Brüste zittern, schloss die Augen und hob langsam ihre Haare hoch, um sie dann wieder herabfallenzu lassen und sich mit zurückgeworfenem Kopf im Kreise zu drehen. Ich hielt mich zurück, biegsam wie eine Gerte, aber mit feindseligem Blick. Da kam sie näher

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