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Niemand ist eine Insel (German Edition)

Niemand ist eine Insel (German Edition)

Titel: Niemand ist eine Insel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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aber auch fröhliche Gestalten, die ihren ›Huckepack‹ ohne Schwierigkeit schleppten, die mit dem, dachte ich, was man das Bündel nennt, das jeder von uns zu tragen hat, spielerisch fertig wurden.
    »… aber Mrs. Moran! Sie müssen doch auch noch Wochen in Professor Delamares Klinik bleiben, nicht wahr? Und wenn Sie wieder vor die Öffentlichkeit treten, so läßt sich doch das und insbesondere ein Auftritt mit Babs noch hinauszögern … Mein Gott, sind Sie nicht schon glücklich darüber, daß Babs nicht sterben wird?«
    Ich las:
… WIR HABEN VON EUCH SO VIELE HUCKEPACKS BEKOMMEN, DASS WIR DAMIT DIE FUSSBOEDEN EINES GROSSEN HAUSES AUSLEGEN KOENNTEN. IHR WERDET SICHER VERSTEHEN, DASS WIR NICHT SOVIEL PLATZ HABEN! ABER VIELLEICHT GELINGT ES UNS, EINE GROSSE »HUCKEPACK-AUSSTELLUNG« IRGENDWO IN EINER KINDERBUECHEREI ZU MACHEN. WENN ES KLAPPT, SAGEN WIR EUCH SOFORT BESCHEID. VIEL SPASS ALSO MIT »BREZEL«, UND AUF WIEDERSEHEN SAGT EUCH
EURE KARIN
    Als ich das las, hörte ich Ruth sagen: »… natürlich, er wird jeden Tag anrufen, seien Sie ganz beruhigt … Ja … Ja … Ja, ich werde es ihm sagen. Auf Wiederhören, Mrs. Moran.« Ruth legte den Hörer nieder und sagte zu mir: »Mrs. Moran liebt Sie unendlich, mehr als alles andere auf der Welt, nur noch Babs liebt sie ebenso. Soll ich Ihnen sagen.« Ihr Gesicht war völlig ausdruckslos.
    »Warum hat sie so abrupt das Gespräch beendet?«
    »Etwas fiel ihr von der Bettdecke, und sie mußte sofort nachsehen, ob da nichts beschädigt ist.«
    »Was ist runtergefallen?« fragte ich, aufstehend.
    »Ein Brillantarmband, glaube ich, Herr Norton«, sagte Ruth.
    »Oh«, sagte ich.
    »Ja«, sagte Ruth.
    »Wer ist Karin?«
    »Wer ist …? Ach so! Eine Kollegin. Karin Luns. Kinderpsychologin. Ich habe mit ihr in diesem Zimmer gearbeitet. Wir haben zu wenig Platz. Zu viele Kinder und Untersuchungsräume, wissen Sie. Karin geht nach Chicago, zu Doktor Bettelheim, an die ›Orthogenic School‹. Sie erinnern sich an Doktor Bettelheim?«
    »Ja.«
    »Nun, es war Karins Wunsch, bei ihm zu arbeiten. Ich habe das vermittelt. Sie wird mir sehr fehlen. Obwohl Brezel – ich meine natürlich Doktor Sedlmaier! – eine außerordentlich gute Psychologin ist.« Ruth sah auf die Uhr. »In zwei Stunden wird der kleine Tim begraben. Ich muß zum Begräbnis. Begleiten Sie mich?«
    »Ja«, sagte ich, ein wenig atemlos. »Darf ich … darf ich einen Wunsch aussprechen?«
    »Natürlich. Was gibt es denn?«
    Ich sah auf ›Das Pferd und sein Huckepack‹ von Leonie Hallke, 10 Jahre, während ich sagte: »Ich bin so sehr in Ihrer Schuld, Frau Doktor. Ich bin so froh, jetzt in Nürnberg zu sein. Haben Sie heute abend frei?«
    »Ja.«
    »Darf ich Sie dann zum Essen einladen? Bitte, sagen Sie nicht nein.«
    »Warum sollte ich nein sagen, Herr Norton? Natürlich dürfen Sie. Ich freue mich«, sagte Ruth.

38
    D as hier ist einmal der Versammlungsort der Meistersinger gewesen«, sagte Ruth zu mir. Wir standen im Schiff der uralten St.-Martha-Kirche, und Ruth hatte mir die Glasmalereien gezeigt, die aus dem 15. und 16. Jahrhundert stammten. Es war 19 Uhr 30, schon lange dunkel und sehr kalt. Viele elektrische Lichter gab es in der St.-Martha-Kirche. Es war mir aufgefallen, daß die Kirchen, an denen wir vorbeigefahren waren, alle noch offenstanden. Vielleicht hing das mit dein nahen Weihnachtsfest zusammen.
    Nach dem Begräbnis des kleinen Tim hatte ich mit Ruth ein Taxi zum Krankenhaus genommen und gewartet, bis sie mit der Tagesarbeit fertig war. Ich hatte in ihrem Zimmer in verschiedenen Büchern und Zeitschriften gelesen, auch in der neuesten Ausgabe des Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL. Da, auf der letzten Seite, unter der Kolumne ›Hohlspiegel‹, hatte ich diese Notiz entdeckt:
    »Der Münchner Weihbischof Ernst Tewes lud zu einem Referat des Bonner Moraltheologen Professor Franz Böckle in die Katholische Akademie ein. Thema: ›Sterben und Sterbehilfe.‹ Anschließend: Diskussion und geselliges Beisammensein mit bayerischer Brotzeit.«
    Bevor wir dann endlich die Klinik verließen, gingen Ruth und ich noch einmal in das Zimmer von Babs. Sie lag in tiefem Schlaf. Ziemlich häufig zuckte es in ihrem Gesicht, und ich bemerkte, daß auch der Körper kurzen, heftigen Zuckungen unterworfen war.
    »Das gehört alles zum Krankheitsablauf, Herr Norton«, hatte Ruth gesagt, als ich sie darauf ansprach.
    Sie trug ein graues Kostüm an diesem Abend und einen Lammfellmantel, das weiß ich

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