Niemand ist eine Insel (German Edition)
er.
»Raus jetzt mit Ihnen! Los!«
Er wich vor mir, der ich auf ihn zuging, nach rückwärts zurück, drehte sich dann um und verließ das ›Karpfenzimmer‹. Ein junger Kellner kam heran. »Etwas nicht in Ordnung, mein Herr?«
»Alles in bester Ordnung«, sagte ich. »Freund von mir. Hatte es leider sehr eilig.«
»Ach so«, sagte der junge Kellner, nahm das Geld vom Tisch und begann ihn abzuräumen.
»Wo kann ich hier telefonieren?«
»Ich zeige es Ihnen.« Der junge Kellner führte mich zu einer Zelle bei der Garderobe.
Ich rief im Polizeipräsidium an und fragte (überzeugt, daß er nicht da war) nach dem Hauptkommissar Sondersen. Ich wollte diese Geschichte mit dem Unbekannten der Polizei erzählen, möglichst jemandem, den ich kannte. Natürlich war Sondersen nicht da, aber sie gaben mir seine Privatnummer, als ich meinen Namen nannte. Offenbar war ich mit meinem falschen Paß auch für die Beamten in der Telefonzentrale inzwischen ein Begriff geworden. Also wählte ich Sondersens Nummer und bekam sofort Anschluß. Der Hauptkommissar meldete sich. Ich hörte leise Musik. Gershwin.
»Es tut mir furchtbar leid, wenn ich Sie störe …«
»Sie stören nicht, lieber Herr Norton. Was gibt’s?«
»Aber die Musik … Sehen Sie fern? Ist das ein Gershwin-Konzert?«
»Ich sehe nicht fern. Das ist eine Platte. Meine Frau und ich lieben Gershwins Musik sehr. Auch die Musik vieler anderer Musiker«, sagte der seltsame Mordspezialist. »Aber besonders Gershwin. Wir hören gerade ›Porgy and Bess‹. Also, was gibt’s?«
Ich sagte ihm, was es gab.
»Hm«, machte er danach. »Passen Sie auf: Ich verständige sofort die Amerikaner. Wenn Sie so sicher sind, daß der Kerl Amerikaner ist – wer weiß, vielleicht können die mit seiner Beschreibung etwas anfangen. Und wenn er wieder irgendwo auftaucht und Sie die Möglichkeit haben, zu telefonieren, dann rufen Sie an.«
»Ich danke Ihnen, Herr Sondersen.«
»Keine Ursache. Wir müssen uns einmal treffen, meine Frau, Sie und ich.«
»Gerne. Jetzt kommt ›Bess, you is my woman‹.«
»Ja. Also, Herr Norton.«
Ich dankte ihm noch einmal, legte den Hörer in die Gabel, verließ die Kabine und ging zurück in das ›Karpfenzimmer‹ und zu Ruth, die mir erschrocken entgegensah.
»Was war? Was hat so lange gedauert?«
Ich sagte es ihr, während ich mich setzte.
»Mir ist das unheimlich«, sagte sie. »Ein Amerikaner noch dazu. Wo Sie und Mrs. Moran aus Beverly Hills kommen.«
Der Kellner kam, und wir bestellten noch Kaffee und Cognac.
»Sofort, Frau Doktor«, sagte Kellner Arnold.
»Was meinten Sie, als Sie sagten, Mrs. Moran und ich kämen aus Beverly Hills?«
»Nun, ich … Ich will wirklich nicht indiskret sein, Herr Norton, aber ich habe von Ihnen gehört, daß Mrs. Moran nicht immer Mrs. Moran hieß und auch nicht in Amerika geboren wurde, und aus den Illustrierten weiß ich, daß sie sich weigert, den Namen des Vaters von Babs bekanntzugeben.
Ich dachte, daß vielleicht …«
»Ich sehe da keinen Zusammenhang«, sagte ich und dachte, daß man sehr wohl einen sehen konnte. »Mrs. Moran heißt richtig Susanne Mankow. Sie wurde in Berlin geboren. 1935. Vor zehn Jahren spielte sie zwar schon große Rollen am Schillertheater – aber sie war nur in Berlin bekannt, mehr nicht.« Der Kellner brachte den Kaffee und Schwenkgläser und eine Flasche Martell und richtete alles freundlich lächelnd und dabei leise keuchend für uns her und ging wieder.
»Mud in your eye«, sagte Ruth, während sie ihr Schwenkglas hob. »So sagt man doch, oder?«
»Ja, so sagt man. Mud in your eye!«
Wir tranken beide.
»Und?« fragte Ruth.
»Und dann kam eine amerikanische Filmgesellschaft nach Berlin – eben jene SEVEN STARS, für die Mrs. Moran heute arbeitet. Sie drehten einen Film, der zum großen Teil in Berlin spielte, und sie suchten eine deutsche Schauspielerin für eine wichtige Rolle. Die männliche Hauptrolle spielte ein Star der Gesellschaft, Romero Rettland.«
»Oh, der!«
»Ja, der.«
»Großartiger Schauspieler.« Ruth trank Kaffee. »Sah blendend aus, nicht?«
»Ja.«
»Ich glaube, ich habe mindestens ein Dutzend seiner Filme gesehen, manche mehrmals. Das war doch ein ganz großer Star! Wieso sieht und hört man nichts mehr von ihm?«
»Triste Geschichte«, sagte ich. »Damals, als er sehr groß war, drehte er also in Berlin. Und der Regisseur und Joe Gintzburger, der Präsident der Gesellschaft, und ich weiß nicht, wer noch alles,
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