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Niemand ist eine Insel (German Edition)

Niemand ist eine Insel (German Edition)

Titel: Niemand ist eine Insel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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waren auch in Berlin, und sie machten ein Riesentheater bei der Suche nach der deutschen Schauspielerin. Nun, Sylvia – damals noch Susanne – hatte Glück. Sie wurde ausgewählt. Ihren ersten Film spielte sie noch unter ihrem richtigen Namen. Der Film wurde ein riesiger Erfolg. Alle waren verrückt nach der deutschen Schauspielerin. Am meisten Joe Gintzburger. Der hat schon viele Stars großgemacht. Romero Rettland war auch völlig hingerissen. Sie überredeten Susanne, sofort nach Hollywood zu kommen. Das tat sie. In den nächsten Monaten arbeitete sie sehr hart, lernte fleißig Englisch, nahm Schauspielunterricht bei der Strasberg und so weiter und so weiter – und brachte nach einem Dreivierteljahr Babs zur Welt.«
    »Und weigert sich seither zu sagen, wer der Vater von Babs ist.«
    »Eine Masche des Publicity-Departments.«
    »Ja? Könnte es nicht sein, daß dieser Rettland der Vater ist?«
    »Das haben schon viele vermutet«, sagte ich. »Aber er ist es nicht. Er kann es nicht sein.«
    »Wieso nicht?«
    »Mrs. Moran – inzwischen hatte man Susanne umgetauft – brachte Atteste bei.«
    »Was für Atteste?«
    »Von einem Berliner Arzt. Der erklärte, daß Susanne ihn aufgesucht habe, noch bevor auch nur einer von SEVEN STARS in Berlin eintraf. Und daß sie damals schon schwanger war.«
    »Und darüber ließ sie sich Atteste geben zu einem Zeitpunkt, zu dem sie gar nicht wußte, daß eine amerikanische Film-Crew nach Berlin kommen würde?«
    »Natürlich nicht! Die ließ sie sich erst geben, als das Kind geboren war und Rettland behauptete, er sei der Vater von Babs.«
    »Ich verstehe.«
    »Das waren also Atteste, die eine Vaterschaft von Rettland ausschlossen.«
    »Warum lag Mrs. Moran so daran?«
    »Ich weiß nicht. Es scheint, daß sie sofort nach ihrer Ankunft in Hollywood ein sehr scheußliches Erlebnis mit Rettland hatte – sie hat es nicht einmal mir erzählt. Jedenfalls weigerte sie sich, je wieder mit Rettland zu spielen.«
    »Und diesen Wunsch einer unbekannten Deutschen erfüllten SEVEN STARS?«
    »Damals war sie schon nicht mehr unbekannt, Frau Doktor. Und dann kam noch etwas dazu: Romero Rettland, mit dem SEVEN STARS so viele große Filme gedreht hatten, geriet unter die Räder. Es begann mit einem Doppelskandal – Falschspiel und Verführung einer Minderjährigen. Abgesehen von den allmächtigen Frauenvereinen, haben alle anständigen Menschen die Pflicht, Minderheitsgruppen zu unterstützen, nicht wahr?«
    »Wovon sprechen Sie?« fragte Ruth irritiert.
    »Von der Minderheitsgruppe der Millionäre. Der Millionäre von SEVEN STARS.« Ruth lachte, aber nur kurz. »Die Proteste gegen Romero Rettland wurden so massiv, die Loyalitätskundgebungen für die unschuldigen SEVEN STARS so zahlreich, daß Joe Gintzburger gar keine andere Möglichkeit hatte, als seinen Kassenmagneten zu feuern.«
    »Und was geschah mit ihm?«
    »Er verkam. So etwas geht schnell in diesem Gewerbe. Rauschgift. Weiber. Suff. Schlimmeres. Sie sollten einmal Joe Gintzburger zu dem Thema hören! Mit so viel Mühe und Geld hatte er. Rettland zum Star aufgebaut, und dann biß der die Hand, die ihn fütterte! Rettland machte noch einen oder zwei kleine Filme bei kleinen Gesellschaften, dann kam er ab und zu im Fernsehen unter, und dann war es ganz aus mit ihm. Hörte ich. Ich kannte Mrs. Moran damals noch nicht, ich war noch nicht in Amerika. Er erschien ein paarmal bei Mrs. Moran und bat um Geld.«
    »Bekam er es?« fragte Ruth, sehr interessiert.
    »Ja, immer. Aber dann fing er an, in Skandalblättern Interviews zu geben und auf seiner Vaterschaft zu bestehen. Und da warf Mrs. Moran ihn hinaus, als er das nächste Mal kam. Ehrlich, ich weiß nicht einmal, ob er noch lebt. Das ist ein Gewerbe ohne Gnade. Hollywood ist eine Stadt ohne Mitleid. Vielleicht ist Rettland schon tot, und keinen schert es.«
    »Wie alt wäre er, wenn er noch lebt?«
    »An die sechzig, sicherlich.«
    »Und der Arzt?«
    »Welcher Arzt?«
    »Der in Berlin, der die Atteste ausstellte.«
    »Oh, der. Der ist gestorben. Schon lange her.«
    »Wie lange her?«
    »Mrs. Moran sagte mir, er starb ein knappes halbes Jahr, nachdem er für sie eben die Atteste ausgestellt hatte«, sagte ich, und dann sahen wir einander an und schwiegen beide, und ich bin sicher, wir dachten beide dasselbe. Es war schon eine bizarre Idee (wer immer sie gehabt hatte), daß Babs unbedingt ein Kind der Liebe sein mußte und die Mutter niemals den Namen des Vaters bekanntgeben

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