Niemand ist eine Insel (German Edition)
Scheißfotografen habe ich alles abgenommen, was er hatte«, sagte Bracken zufrieden. »Der hat keine Aufnahmen von hier! Na, wie haben wir das gemacht?«
»Prima habt ihr das gemacht«, sagte ich. Ich weiß noch, daß ich das sagte. Dann weiß ich nichts mehr. Ich glaube, ich habe noch nie im Leben so tief geschlafen. Aber seltsam, mein Herr Richter, ich weiß, wovon ich träumte! Von Bären. Die ganze Zeit von Bären. Allen Arten von Bären.
42
I ch schlug die Augen auf. Ich sah Bracken vor mir.
Ich hatte keine Ahnung, wo ich mich befand, welcher Tag, welche Stunde es war.
Dann bemerkte ich, daß ich nackt in einem großen Bett lag. In dem Bett, in dem Babs gelegen hatte. Auf der anderen Seite. Hier brannte eine Lampe auf dem Nachttisch.
»Na endlich«, sagte Bracken. »Weißt du, wie spät es ist?«
»Nein.«
»Fünf. Du hast fast viereinhalb Stunden geschlafen. Jetzt habe ich dich wachgerüttelt. Du mußt aufstehen.«
»Warum?«
»Du hast doch gesagt, du mußt ins Krankenhaus zu Babs. Und zu Sylvia mußt du auch.«
Ich stöhnte.
»Schmerzen?«
»Nein.«
Natürlich hatte ich Schmerzen, aber gestöhnt hatte ich, weil mir nach meinem fröhlichen Bärentraum nun alles Elend wieder einfiel, alles Unglück, das über uns hereingebrochen war.
Ich stand auf.
»Hab dich ausgezogen«, sagte Bracken. »Alle Sachen sofort zur Reinigung gegeben. Das Blut von deinem Gesicht abgewaschen. Außerdem wird es jetzt ja dunkel. Und du hast deine Brille. Sag, du hast dich irgendwo angeschlagen.«
Ich ging ins Badezimmer und sah mein Gesicht im Spiegel an und war richtig erleichtert. Mein linkes Auge hatte eine blau-grüne Färbung angenommen und war verschwollen. Auf der rechten Wange hatte ich eine hübsche Schramme. Mein Körper allerdings sah schlimm aus. Aber ich lief ja nicht nackt herum. Ich badete, und während ich mich abseifte, kam Bracken und setzte sich auf den Bidet-Rand.
»Weißt du, Rod, wenn du willst, kannst du ein netter Kerl sein«, sagte ich. »Wenn man in derselben Scheiße sitzt, ist es am besten, man ist ein netter Kerl«, sagte er.
»Was hat eigentlich Joe gesagt?«
»Hat sich natürlich sofort in die Hosen geschissen«, sagte Bracken. »Du kennst ja das falsche, feige Schwein. Redet wie ein Bibelverkäufer und würde seine Mutter erschlagen für zwei Dollar, zum Glück ist sie schon tot.«
Das war, fand ich, eine sehr treffende Beschreibung von Joe Gintzburger.
»Was er gesagt hat!«
»Zuerst mal hat er Sylvia verflucht. Wegen dem Monolog da in Monte-Carlo. Von dem weiß er ja, von dem haben wir ihm ja erzählt, damit er nicht in Ohnmacht fällt, wenn unser Freund, der Erpresser, sich mal an ihn wendet. Dann hat er mich verflucht.«
»Warum dich?«
»Weiß ich nicht. Nur so. Er hat auch dich und Babs verflucht. Weißt du da vielleicht, warum? Bei Babs kann ich es noch verstehen. Ungezogenheit sondergleichen von dem Gör, sich eine Gehirnentzündung einzuhandeln. Dann hat Joe gesagt, daß er Sylvias Namen nicht mehr kennt, daß sie in keinem Studio der Welt auch nur als Statistin jemals wieder einen Job finden wird, wenn das hier jetzt rauskommt!« Bracken rülpste. »Ich habe ihn quatschen lassen. Informiert muß er sein. Kommentar steht ihm frei. Und uns hilft in einer solchen Situation nur Chuzpe.«
»Chuzpe und Vorsicht«, sagte ich.
»Chuzpe und Vorsicht«, sagte er.
»Was war weiter mit Joe?«
»Ach …«
Er zögerte.
»Na!«
»Beim ersten Gespräch wußte er selber noch keinen Rat. Hat gesagt, er muß mit seinen Anwälten und den Vizepräsidenten und den PR-Leuten reden, den ganzen Arschlöchern. Ich soll ihn in zwei Stunden wieder anrufen. Habe ich getan. Da hast du fest geschlafen. Habe ich Doktor Wolken gesagt, er soll hier Wache schieben, und bin noch einmal zur Hauptpost gefahren.«
»Und was hat Joe da gesagt?«
»Wird dir nicht gefallen.«
»Sag es endlich.«
»Na schön«, sagte Bracken. »Joe sagt, jetzt werden die Reporter keine Ruhe mehr geben. Jetzt hast du sie am Hals, Tag und Nacht. Du weißt, was das heißt, wenn diese Schweine sich einmal wo festbeißen.«
»Das weiß ich«, sagte ich.
»Sie würden dich auf Schritt und Tritt verfolgen, Tag und Nacht, wenn du hier weiter wohnst.«
»Klar.«
»Sagte auch Joe. Also: Du mußt hier weg.«
»Was?«
»Du mußt raus aus dem LE MONDE. Gleich. Sobald du dich angezogen hast. Und Babs nimmst du natürlich mit.«
»Bist du besoffen?«
»Stocknüchtern. Klar wie noch nie. Joe hat mir das aufgetragen. Das ist
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