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Niemand kennt mich so wie du

Niemand kennt mich so wie du

Titel: Niemand kennt mich so wie du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna McPartlin
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sang James Blunt «Je Realise». James Blunt gehörte zu Stephanies Lieblingssängern. Clooney war sich nicht sicher, ob es an seiner Musik lag oder an seinem militärischen Background, der seine Musik beeinflusste: der Schmerz und die Qualen, der Verlust, der Sittenverfall, aber auch die totale Konzentration und die Bedeutsamkeit. So beklagenswert Tod und Zerstörung auch waren, sie waren größer und bedeutender, als in einer Kleinstadt den Tag damit zu verbringen, sich die neusten Schuhe zu kaufen oder ins Kino zu gehen. Stephanie identifizierte sich damit. Er lauschte dem Song, während seine Blicke sich in den Straßenzügen, den blauen Straßenschildern, den Brücken und den majestätischen Eckhäusern verloren. Als sie die Rue Vivienne erreichten, bezahlte er den Fahrer und stieg aus. Es war halb eins.
    Er betrat die Klinik, fragte nach Stephanie Banks und wurde zu einem Zimmer geführt. Stephanie war sichtlich froh, ihn zu sehen. Sie strahlte, als träfen sie sich in einem Café oder an einem sonnigen Sandstrand. Stattdessen trug sie ein Krankenhaushemd und lag in einem Krankenbett, denselben gelben Schalter in der Hand, den Eve so lange hatte. Sie umarmten sich. Stephanie war dankbar, dass er gekommen war.
    «Natürlich bin ich da», sagte er. Ihm war bewusst, dass ihnen nur noch zwanzig Minuten blieben, ehe sie in den OP musste.
    Sie lächelte und küsste seine Hand. Ihr traten Tränen in die Augen, aber weinen würde sie nicht. Stephanie war aus härterem Holz geschnitzt.
    «Es ist besser so», sagte sie, weil sie wusste, dass er weicher war als sie.
    «Ich weiß», sagte er.
    «Ich wollte dich einfach nur sehen», sagte sie.
    «Du kennst mich so gut.»
    «Na ja, du bist wie ich, nur ohne Eier», sagte sie lachend. Doch ihr Lachen klang hohl. Die Situation ließ keine unbeschwerte Freude zu. Sie sah ihn seufzend an.
    Es waren lange neun Wochen gewesen, seit er Afghanistan verlassen hatte. Sie hatte seitdem hart gearbeitet und war in ein paar brenzlige Situationen geraten, doch das war für Stephanie nichts Ungewöhnliches. Sie war über eine Geschichte gestolpert, mit der sie Karriere machen konnte, falls sie es richtig anging. Falls nicht, wäre sie geliefert, bis auf die Knochen blamiert und riskierte vielleicht sogar, aufgrund einer erfundenen Anklage ins Gefängnis zu wandern. Doch Stephanie würde kämpfen, was auch immer geschehen mochte, und sie würde entweder Erfolg haben und tatsächlich etwas verändern oder dem System zum Opfer fallen. Egal, was am Ende herauskäme, die Geschichte würde Aufsehen erregen, und obwohl ihr natürlich Ersteres lieber wäre, war Stephanie Banks der Ausgang im Grunde nicht wichtig. Und genau aus dem Grund kann ich unmöglich Mutter werden.
    «Erzähl mir von dir», sagte sie, ganz die Journalistin.
    «Ich habe ein Jobangebot aus Peru.»
    «Und?»
    «Und meine Schwester wäre beinahe gestorben, und ihr Lover ist tot.»
    «Und?»
    «Und die Frau, die ich schon mit zwanzig geliebt und im Stich gelassen habe, wurde gerade von ihrem Ehemann vergewaltigt.»
    «Und du glaubst, du kannst sie retten.»
    «Nein», sagte er, weil er wusste, dass Lily nur von Lily selbst gerettet werden konnte.
    «Liebst du sie immer noch?»
    «Ich glaube schon, aber …», sagte er und legte sanft seine Hand auf ihren Bauch.
    «Wir sind keine schlechten Menschen», sagte sie und kämpfte wieder mit den Tränen, die bei ihr niemals den Sieg davontragen würden. Ihre Augen trockneten wieder, sie legte den Kopf schief und lächelte.
    «Wir wollen einfach nur unterschiedliche Dinge», sagte er und nahm die Hand wieder fort.
    «Genau», sagte sie. «Und ich wähle mich.»
    «Genau wie ich.»
    «Wir sind keine schlechten Menschen», sagte sie noch einmal, und dennoch betrauerten sie beide ihren wachsenden Bauch und dachten still darüber nach, was hätte sein können, wenn sie beide andere Menschen gewesen wären, zu einer anderen Zeit, an einem anderen Ort, mit anderen Zielen und Wünschen. Als sie in den OP gebracht wurde, winkte er ihr lächelnd nach und vertrieb sich die Zeit auf dem Flur mit französischem Fernsehen. Es dauerte nicht lange, nicht einmal eine Stunde. Die Narkose hielt noch zwei weitere Stunden an. Als Stephanie wieder aufwachte, war er an ihrer Seite. Sie war erschöpft und litt unter Krämpfen. Er blieb eine weitere Stunde, sie redeten ein wenig, und er fütterte sie mit trockenem Toastbrot. Als sie müde wurde und die Besuchszeit vorüber war, fuhr er in ihr Hotel. Sie hatte

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