Niemand kennt mich so wie du
offensichtlich wird es Narben geben. Wie schlimm, lässt sich noch nicht sagen.»
«Mach dir deswegen bitte keine Gedanken – gut möglich, dass man später davon gar nichts sieht. Glaub mir, bei Kindern verheilen Wunden viel besser und schneller als bei Erwachsenen.»
«Du hast recht», sagte Rachel und nickte.
«Und Dylan geht es auch besser?»
«Dylan hat Glück, dass mein Vater schon unter der Erde liegt. Der hätte mit Sicherheit den großen Rohrstock ausgepackt.»
«Unfälle passieren», sagte Lily. Die Richtung, die das Gespräch nun einschlug, war ihr unangenehm, und sie fragte sich, was aus Rachels Mitgefühl geworden war, das sie noch am Vortag zur Schau gestellt hatte.
«Nicht, wenn Menschen verantwortungsvoll handeln», sagte sie.
«Himmel, Rachel, er ist acht Jahre alt!» Rachel bedachte sie mit einem mörderischen Blick, und Lily bereute sofort, dass sie etwas gesagt hatte. Für jeden Außenstehenden war sofort ersichtlich, dass Nancy Rachels kleines Spiegelbild und ihre Prinzessin in einem war. Dylan hatte keine Chance. Er war dazu verdammt, diese verschworene Einheit von außen zu betrachten. Er tat Lily leid. Wenigstens hatte er Jim, aber der arbeitete oft oder fabrizierte ständig «irgendwelchen Schwachsinn», wie Rachel es nannte.
Lily entschuldigte sich und überließ die beiden sich selbst. Die Schulter war versorgt, die nachbarschaftlichen Pflichten erledigt, und nun konnte sie sich voll und ganz auf ihre Schicht konzentrieren.
Ihre erste Aufgabe bestand darin, eine Patientin, die in einen Verkehrsunfall verwickelt gewesen war, in den OP zu bringen. Sie erreichte ihre Station in dem Moment, als Bob die Frau über den Gang schob.
«Station 5?», fragte sie.
«Station 5», bestätigte er.
Sie nahm die Patientenakte entgegen, schenkte der armen, zerschundenen Frau auf dem Transportbett ein warmes Lächeln und lief neben ihr her in Richtung OP.
Eve konnte sich nicht daran erinnern, aufgewacht zu sein, doch sie war wach. Zumindest hatte sie die Augen geöffnet und war halbwegs bei Bewusstsein. Sie lag in einem Bett mit Rollen, sah zu einer weißen Decke hoch und war in Bewegung. Sie hatte Schwierigkeiten, klar zu sehen. Als sie das rechte Auge schloss, stellte sie fest, dass sie mit dem linken gar nichts sah. Sie versuchte herauszufinden, ob ihr Lid zugeschwollen war oder ob sie das Auge verloren hatte. Mein Gesicht! Was ist mit meinem Gesicht passiert? Das rechte Auge tränte, und das Sprechen fiel ihr wieder schwer. Die Worte schienen ganz hinten in ihrem Kopf eingeschlossen zu sein. Eve bemühte sich ganz bewusst, sie nach vorne in den Mund zu zwingen, doch es gelang ihr nicht. Sie fragte sich, ob das an den Medikamenten oder an ihrer Kopfverletzung lag. Weil sie sich nicht nach ihrem Gesicht erkundigen konnte, versuchte sie, selbst zu beurteilen, wie es sich anfühlte. Es kam ihr fremd vor. Sie konzentrierte sich auf die Krankenschwester, doch die Frau ging links von ihr, und es war schwierig, sie anzusehen.
Vor dem Lift blieben sie stehen, und die Schwester wechselte die Seite und steckte die Bettdecke fest.
«Wir warten nur auf den Lift. Es geht gleich weiter», sagte sie.
Eves Lippen fühlten sich größer an als in ihrer Erinnerung, wund und geschwollen. Sie ließ die Zunge über die Zähne gleiten, und sie waren alle noch ganz. Auch schon was wert. Sie leckte sich über die Lippen, spürte Nähte und schmeckte Blut. Scheiße! Das Bett wurde in den Lift geschoben. Als sie auf die Wand aus Hitze und schlechter Luft im Inneren des Aufzugs stieß, hatte sie das Gefühl, jemand hielte ihr einen Bunsenbrenner ins Gesicht. Sie hörte, wie ein Knopf gedrückt wurde. Zwei Frauen unterhielten sich.
«Ich habe Mike gesagt, wenn ich Lust auf Verantwortung hätte, würde ich schwanger werden, aber das interessiert ihn gar nicht. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass meine Anspielungen in Richtung iPod wirklich eindeutig waren.»
«Und was willst du jetzt machen?»
«Soll er sich doch drum kümmern.»
«Und damit ist er einverstanden?»
«Oh ja, absolut.»
«Also hat er den Hund eigentlich für sich gekauft?»
«Genau.»
«Und du hasst Hunde?»
«Richtig.»
«Und du hast jetzt einen Hund im Haus, den du nicht ausstehen kannst.»
«Na ja, ich habe jetzt seit zwei Jahren einen Mann im Haus, den ich nicht ausstehen kann, da fällt ein Hund auch nicht mehr weiter ins Gewicht.»
«Tja, du bist ein besserer Mensch als ich.»
«Stimmt nicht. Ich habe seine EC-Karte geklaut
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