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Niemand lebt von seinen Träumen

Niemand lebt von seinen Träumen

Titel: Niemand lebt von seinen Träumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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jur. Referendar.«
    »Herr Doktor.«
    Sie schob ihm ein Glas Wein hin und setzte sich an den langen Tisch ihm gegenüber. Dr. Schoffel sprang sofort auf, ordnete die Kissen hinter ihrem Rücken und setzte sich dann wieder mit einer leichten Verbeugung hin.
    »Sind Sie schon lange in Garmisch, Gnädigste?« fragte er mit einer gezwungenen Überkorrektheit.
    »Seit gestern.«
    »Ich werde diesen Tag immer loben!« Dr. Schoffel wurde pathetisch und umklammerte sein Glas Wein. »Sie bleiben länger?«
    »Vielleicht vier Wochen … wenn es mir hier gefällt.«
    »Warum sollte es Ihnen nicht gefallen? Garmisch ist ein paradiesisches Fleckchen Erde. Es hat eine Venus wie Sie verdient.«
    »Im Paradies war eine Eva«, meinte Susanne trocken.
    Dr. Schoffel wurde blutrot im Gesicht und kaute an der Unterlippe. »Natürlich, natürlich, Gnädigste. Ein kleiner Irrtum, hervorgerufen durch meinen stillen Vergleich mit der Schaumgeborenen …«
    »Das war Aphrodite …«
    »Die Römer nannten sie Venus.«
    »Und in Garmisch waren auch die Römer …?«
    Mit dieser frechen Frage wußte Dr. Schoffel nichts anzufangen, und er sah sich hilflos um. Tante Nette wirtschaftete in der Küche, man hörte das Klappern durch zwei Türen hindurch. Sie fiel als Rettung aus. Der Knecht Sepp lag in seinem Bett und sang vor sich hin … der leere Krug Enzian lag neben ihm auf der Erde.
    Dr. Schoffel tat das einzige, was ihm einfiel – er prostete Susanne mit dem Weinglas zu und sagte: »Auf unseren klugen Besuch!«
    Und dann trank er in einem langen Zug das Glas leer und fühlte sich etwas mutiger werden.
    »Garmisch ist meine Heimat«, sagte er. »Ich werde Ihnen alle Schönheiten dieses Ortes zeigen … wenn Sie erlauben …«
    »Warum nicht?« sagte Susanne und zuckte mehr oder weniger gleichgültig mit den Schultern. »Ich mag die Berge, den Schnee und ich wandere gern.«
    »Ich auch, Gnädigste …«
    »Na also … dann können wir ja morgen schon eine Tour unternehmen …«
    »Mit dem größten Vergnügen …«
    Natur, dachte Susanne, wandern, sich einlullen lassen von dem Geschwätz dieses Dr. jur …; das ist die beste Medizin des Vergessens. Nur nicht denken, was morgen oder übermorgen ist, nur nicht an diesen Tag denken, an dem Frank … Sie biß sich auf die Lippen, denn sie fühlte, wie sie blaß wurde und zu beben begann.
    Tante Nette kam ins Zimmer, ein Tablett mit dampfenden Leberknödeln vor sich hertragend.
    »Knödel!« rief sie begeistert. »Dös mag auch der Herr Referendar, wos?«
    »Aber ja …«, sagte Dr. Schoffel freudig.
    »Habt ihr euch schon ein bisserl bekannt gemacht miteinander, Kinder?« fragte Nettchen so nebenbei beim Aufgeben.
    »Wir wollen ein bißchen zusammen wandern und uns Garmisch ansehen«, antwortete Susanne.
    »Das ist schön, das ist sehr schön!« meinte Tante Nette und gab Dr. Schoffel noch einen Kloß mehr auf den Teller. »Wandert mal schön in die Natur … es tut euch beiden gut …«
    Und im stillen dachte sie: Der Schoffelbua, das ist kein übler Kerl. Ein Doktor, ein reicher Erbe und ein netter stiller Mann … Susanne wird diesen Frank schon vergessen. Dafür werde ich schon sorgen. Ich, die Breischlags-Nette.
    Am nächsten Tag stand Dr. Schoffel pünktlich vor Tante Nettes Haus und schellte. Er hatte sich richtig zünftig in Lodensachen ausstaffiert und trug zur Feier des Tages seinen Sonntagshut mit dem mächtigen Gamsbart. Auch Susanne erschien in zweckmäßiger Kleidung und sah sogar relativ unternehmungslustig aus.
    Schoffel schlug vor, mit der berühmten Zugspitzbahn auf den höchsten Berg Deutschlands zu fahren, sich dort bei dem noch immer schönen Wetter das gigantische Bergpanorama anzuschauen und dann eventuell nach einer guten Jause eine Wanderung zu machen.
    Susanne stimmte freudig zu, und begleitet mit den besten Wünschen von Tante Nette brachen sie auf.
    So vergingen die Tage in Garmisch. Susanne und Dr. Schoffel wanderten, fuhren in die Skigebiete hinauf, sonnten sich, und Schoffel zeigte Susanne Garmisch und die Umgebung. Es waren herrliche, fast unbeschwerte Tage. Auch Dr. Schoffel taute auf, er verlor seine Steifheit, wurde natürlich wie die Natur um ihn herum, sprach nicht mehr ein geschraubtes Deutsch, sondern wurde sogar bayrisch, indem er vor einer Skihütte, in der sie eingekehrt waren, vor Freude und Übermut zu jodeln begann. Tante Nette überwachte dies mit kritischen Augen und meinte zu dem erstaunten Schoffelbauern, als sie ihn auf der Straße vor dem

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