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Niemand lebt von seinen Träumen

Niemand lebt von seinen Träumen

Titel: Niemand lebt von seinen Träumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Tante Nette wurde steif wie ein Stock und hieb mit der Faust auf den Tisch.
    »Die Mannsbilder!« schrie sie los. »Die Malefizlakln, die Dummerten, die Vermaledeiten! Wie heißt er?«
    »Frank Barron.«
    »Alle die Frank heißen, taugen nichts«, sagte Tante Nette völlig unlogisch. »Ich werde zu ihm hinfahren!«
    »Das geht nicht«, weinte Susanne. »Frank fährt in fünf Tagen nach New York.«
    »Ach! Er rückt aus? Was? Das habe ich gern! Ich schreibe sofort an das Konsulat und lasse den Paß einziehen!«
    »Aber wir wollen doch heiraten!«
    Tante Nette sperrte den Mund auf und starrte Susanne an.
    »Und da weinst du?« fragte sie plötzlich leise.
    »Ja. Weil er wegfährt und wir uns so lange nicht mehr sehen können …«
    »Dummes Zeug!« rief Tante Nette laut und empört. »Um einen Mann weinen, weil er nicht da ist! Dummheit! Er wird schon wiederkommen. Iß jetzt und sei still!«
    Aber so grob wie es schien, war sie ja gar nicht, die Breischlags-Nette. Nach dem Kaffee machte sie sich zum Bürgermeister auf, um sich zu erkundigen, was alles getan und beantragt werden mußte, wenn man nach Amerika auswandern wollte.
    »Wos willst du?« fragte der Bürgermeister. »Du willst auswandern? Dös ist ja a neue Sensation für Garmisch!«
    Es dauerte lange, bis Tante Nette erklärt hatte, was sie vorhatte. Dann aber mußte auch sie einsehen, daß es bei den heutigen Gesetzen völlig aussichtslos war, Susanne so schnell wie möglich eine Ausreise in die USA, zu Frank, ihrem Verlobten, zu ermöglichen. Selbst als Ehefrau wären noch viele Klippen zu überwinden, ehe man alle Papiere beisammen hätte.
    »Sauerei!« sagte Nette drastisch. »Dös Madl muß an andern Mann haben!« Und mit diesem Grundsatz ging sie zurück nach Hause, um die Sache sofort in Angriff zu nehmen.
    Susanne lag hinter dem Haus auf der Obstwiese in einem Liegestuhl, las ein Buch und sonnte sich. Um die Beine hatte sie eine Wolldecke geschlungen, aber es war so warm, daß sie noch nicht einmal eine dicke Jacke brauchte. Als Tante Nette um die Hausecke bog, sah sie den Knecht Sepp lauernd an der gegenüberliegenden Hauswand stehen. Brummend ging sie in die Küche und brüllte nach dem Knecht.
    »Was stehst da herum und reißt das Maul auf?« schrie sie ihn an. »Hast im Stall nix zu tun?«
    »A saubers Madl«, sagte der Sepp, mit der Zunge schnalzend. »Und a Figur! Sakra! Dreiß'g Joar jünger, und i tat fensterln!«
    »Saudumma Depp«, sagte Tante Nette grob. Damit ließ sie ihn stehen und ging zu Susanne hinaus, die in der Sonne lag und mit geschlossenen Augen vor sich hin träumte.
    Breischlags-Nette war eine Frau von schnellen Entschlüssen und handfesten Ausführungen. Sie betrachtete still die vor ihr im Liegestuhl liegende Susanne und ließ in Gedanken alle jungen Männer in Garmisch Revue passieren, die theoretisch zu Susanne passen könnten. Sie traf dabei ihre Auswahl nach drei Gesichtspunkten: Geld, gutes Aussehen, gute Vergangenheit. Von erster Kategorie gab es einige, Nummer zwei war schon seltener anzutreffen – aber Forderung Nummer drei war fast unerfüllbar. Das erboste Tante Nette dermaßen, daß sie sich brummend an ihre Klöppelarbeit setzte und wütend mit der Arbeit an einer neuen Spitze begann.
    Das System Tante Nettes war es, durch Unterhaltung harmloser Natur Vergessen zu geben. Sie lud deshalb für den nächsten Abend einen Herrn ein, was Sepp, den Knecht, der seit zwanzig Jahren der einzige Mann auf dem Hof war, mit maßlosem Erstaunen erfüllte.
    Der Herr, der von Nette die Ehre zugeteilt bekam, Susanne etwas aufzuheitern, hieß Dr. Ewald Schoffel und war Gerichtsreferendar in München. Zur Zeit hielt er sich jedoch bei seinen Eltern auf dem Schoffelhof auf, weil der Beruf eines Referendars seiner Meinung nach wenig lukrativ war und das Gehalt mehr an die Übungen eines Hungerkünstlers als an das eines Akademikers erinnerte. So war er ›beurlaubt‹ worden und saß nun als ›Studierter‹ auf dem Schoffelhof, tat den ganzen Tag nichts, sondern lebte von dem Schinken und den Eiern, die ihm sein Vater, ein biederer Bauer, auf den Tisch stellte. Tagsüber ging er spazieren oder saß im Wirtshaus und hielt juristische Beratungen bei Feldstreitigkeiten, Bachverlegungen und anderen Bauernstreitereien ab, die er sich gut bezahlen ließ. Das Geld zahlte er auf ein Konto ein, um später seiner Millie, die Tänzerin am Gärtnerplatz-Theater in München war, eine schöne Halskette und ein neues Abendkleid zu kaufen, das sie

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