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Niemand lebt von seinen Träumen

Niemand lebt von seinen Träumen

Titel: Niemand lebt von seinen Träumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Russ‹ fährt hinüber, dachte sie. Es muß doch einmal gelingen! Wenn ich nur wüßte, wie … Ich müßte es ganz, ganz klug anstellen, so daß niemand auf den Gedanken käme, daß ich illegal nach Amerika wollte. Was ich bis jetzt erreicht habe, ist nichts. Wie bereits vor drei Monaten stehe ich wieder an einem Hafen und muß die Zähne zusammenbeißen, um nicht laut loszuheulen. Aber gerade das darf ich auf keinen Fall. Was ich behalten muß, sind vor allem die Nerven. Ohne starke Nerven wird es mir nie gelingen! Und wenn es nicht bald gelingt, wird es nie mehr gelingen! Ich muß jetzt so schnell wie möglich den letzten Versuch wagen …
    Susanne ballte die kleinen Fäuste und drückte sie an ihre Schläfen. Es muß einen Weg geben, grübelte sie. Es muß einfach gehen.
    Die folgenden zwei Tage stand sie stundenlang am Kai und beobachtete die ›Giesela Russ‹. Sie sah, wie das Gepäck der Reisenden in die Kabinen geschafft wurde, wie die Ladung anrollte, große Kisten und Ballen, Autos und Ackerwagen, Maschinen und Chemikalien, sah, wie mit großen Lastautos die Verpflegung für die lange Reise heranfuhr und beobachtete ein Zigarettenfräulein, das täglich mehrmals mit ihrem Tabakskasten vor der Brust das Schiff betrat und die schon an Bord befindlichen Reisenden bediente. Nach etwa zwei Stunden kam das Mädchen zurück und verschwand in einem Hafencafé.
    In Susannes Kopf machte sich plötzlich ein kühner Plan breit. Das war es, so müßte es gehen … Wenn man es geschickt anstellte, würde dies der einzig erfolgsträchtige Weg sein.
    Am dritten Tag, dem letzten Tag vor dem Auslaufen der ›Giesela Russ‹, an dem an der Bordwand die restlichen Reinigungsarbeiten durchgeführt wurden und die Maschinen schon auf Probe liefen, ging Susanne in das kleine Café und winkte dem Mädchen zu, das hier und auf dem Schiff Zigaretten verkaufte.
    »Ich habe beobachtet«, sagte Susanne leise zu dem Mädchen, »daß Sie immer auf dem Schiff da drüben Tabakwaren verkaufen.«
    »Das stimmt. Wir haben die Konzession dazu«, meinte das Mädchen vorsichtig.
    »Verdienen Sie viel dabei?«
    »Warum interessiert Sie das?«
    Das Mädchen wurde mißtrauisch und sah sich um, ob nicht ein Kellnerkollege in der Nähe war. »Sind Sie von der Steuer?«
    Susanne Braun lachte und setzte sich. Mit einer Handbewegung forderte sie das Mädchen auf, sich neben sie zu setzen.
    »Nein, haben Sie bloß keine Angst«, meinte sie lustig. »Ich möchte einmal an Ihrer Statt Zigaretten verkaufen.«
    »Was wollen Sie?« Das Mädchen riß die haselnußbraunen Augen auf und schüttelte den Kopf. »Sie machen vielleicht Witze!«
    »Aber nein! Ich will Ihnen gestehen, daß ich gerne auf das Schiff möchte. Ich habe aber keinen Paß und keine Karte. Gehe ich an Ihrer Statt als Zigarettenverkäuferin an Bord, so vermutet niemand etwas Außergewöhnliches dabei. Wenn das Schiff dann ausgelaufen ist und man mich entdeckt, ist es zu spät zur Umkehr …«
    »Man wird Sie bei der nächsten Gelegenheit an Land setzen und zurückschicken …«
    Susanne schüttelte voll Überzeugungskraft den Kopf. »Nein! Daß man das nicht tut, dafür werde ich schon sorgen. – Das einzige was ich brauche, ist Ihr Tabakskasten. Wie hoch ist Ihr Umsatz pro Tag auf dem Schiff?«
    »Ungefähr fünf bis sechs Mark, es sind erst sechs Herrschaften an Bord.«
    »Wenn ich Ihnen zwanzig Mark gebe, würde Ihnen das genügen?« Susanne Braun öffnete ihre Geldbörse und holte einen zerknitterten Schein heraus. »Hier, nehmen Sie – es ist für Sie doch kein großes Risiko dabei …«
    »Aber der Kasten ist doch dann weg! Wenn mein Chef den Verlust bemerkt, und das wird ja nicht ausbleiben, bin ich sofort entlassen!«
    »Sagen Sie einfach, den Kasten hätte man Ihnen, um an die Zigaretten zu kommen, entrissen und gestohlen …«
    »Ich weiß nicht recht. Warum das alles …« Das Mädchen zögerte ein wenig und sah auf den hingehaltenen Zwanzig-Mark-Schein. »Versuchen kann man es ja ruhig«, sagte es gedehnt, nahm den Geldschein und ließ ihn in der Tasche ihres kleinen Spitzenschürzchens verschwinden. »Ich helfe Ihnen ja gern. Haben wohl Ihren Liebsten drüben?«
    »Wir wollen in Kürze heiraten«, nickte Susanne ernst.
    »Dann viel Glück.« Das Mädchen stand auf, zog Susanne in eine Nische und übergab ihr den Kasten mit den Zigaretten. Gemeinsam leerte man ihn aus, bis Waren im Werte von zirka zehn Mark zurückblieben. In den leeren Kasten verstaute Susanne das Notwendigste

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