Niemand lebt von seinen Träumen
aus ihrem Pappköfferchen und legte zum Schluß ein paar Zigarrenkisten und Zigarettenschachteln obenauf, bis von den Kleidungsstücken nichts mehr zu sehen war. Die übriggebliebenen Sachen stopfte sie hastig wieder in ihr Pappköfferchen und reichte es der Zigarettenverkäuferin.»Nein, bitte nicht, ich habe mein Geld doch schon.«
»Bitte, nehmen Sie meine Sachen. Ich kann sie sowieso nicht länger brauchen. Wie soll ich denn mit einem Koffer in der Hand unbemerkt das Schiff besteigen? Es ist ohnehin nur verschwindend wenig für das, was ich Ihnen an Dank schulde. Behalten Sie die Sachen. Ich bitte Sie darum!«
Susanne hängte sich den Bauchladen um und lächelte.
»Sollte es klappen, so werden Sie wieder von mir hören. Wie heißen Sie denn eigentlich.?«
»Erna Stein. Bremerhaven, Pottgasse 15.«
»Ich danke Ihnen wirklich von ganzem Herzen. Sie können nicht ermessen, was Sie für mich getan haben. Und nun halten Sie mir beide Daumen, daß mir gelingt, was ich mir vorgenommen habe …«
Nachdem Susanne sich die Adresse notiert hatte, verabschiedete sie sich. Noch einmal winkte sie zurück, dann verließ sie das Café und schritt eilig über die Straße der Mole zu. Am Kai blieb sie stehen und sah hinüber zu dem großen, weißen Schiff.
Ich komme, jubelte es in ihr. Frank, ich komme zu dir, mit Zigaretten vor der Brust und einer schrecklichen Angst im Herzen …
Sie warf die Locken in den Nacken und biß die Zähne fest zusammen.
Mit langen Schritten eilte sie dem Schiff entgegen. Um sie herum brodelte der Lärm des Hafens.
Die Sirene der ›Giesela Russ‹ gellte auf. Probealarm. Susanne nickte. Ein gutes Vorzeichen, dachte sie. Mit Alarm betrete ich das Schiff … es wird schon schiefgehen …
7
Frank Barron saß bleich und übernächtigt wieder im Arbeitszimmer von Dr. Yenkins und rauchte eine Zigarette nach der anderen.
»Verstehst du das, Percy?« fragte er und wies mit der Hand auf den auf der Schreibtischplatte liegenden Brief.
Dr. Yenkins schüttelte den Kopf. »Das ist schwer zu verstehen. ›Adressat mit unbekanntem Ziel verzogen. An Absender zurück.‹ Das heißt doch, daß deine Susanne nicht mehr in Köln ist.«
Frank nickte. »Richtig! Aber wo kann sie sein? Sie hat mir nicht geschrieben, daß sie ausziehen will. Und seit fast zwei Wochen hat sie überhaupt nicht mehr geschrieben! Ich weiß nicht, was ich davon halten soll …«
Dr. Yenkins zuckte die Schultern und spielte mit dem Tischfeuerzeug. »Vielleicht ist deine Susanne klüger als wir. Möglicherweise schwimmt sie schon über den Atlantik?«
»Unmöglich!« Frank schüttelte energisch den Kopf. »Ohne Paß? Ohne Visum? Das wäre ja Wahnsinn!«
»Wenn ein Mensch richtig verliebt ist, bewegt er sich stets am Rand zum Wahnsinn«, meinte Dr. Yenkins philosophisch. Er betrachtete den Luftpostbrief noch einmal und legte ihn dann auf einen Aktenstapel. »Jedenfalls ist jetzt das eingetreten, was ich befürchtet habe: Wir sind zur Untätigkeit verurteilt.«
»Wir müssen Susanne suchen lassen!« rief Frank erregt. »Sie kann doch nicht so einfach verschwinden.«
»Vielleicht will sie das? Es ist manchmal besser, ein Mensch verschwindet völlig und taucht erst am Ziel seiner Wünsche wieder auf, anstatt alle Welt davon zu unterrichten, was er vorhat. Ich glaube, deine Susanne hat uns vieles voraus. Vor allem eins: Unternehmungsgeist!«
»Sie wird alles falsch machen!« klagte Barron und zog an seiner Zigarette. »Wenn Frauen im Affekt etwas unternehmen, begehen sie immer eine Dummheit!«
Dr. Yenkins lachte und lehnte sich in seinem Sessel zurück.
»Typisch Mann! Wenn eine Frau das ›starke Geschlecht‹ nicht um Rat fragt, macht sie es falsch! Mein lieber Frank – ich möchte wetten, daß deine Susanne im Augenblick aktiver ist als du denkst. Du sitzt hier und stößt Klagelieder aus. Dein Sweetheart wird ein Loch gefunden haben, durch das sie hierher zu uns in die Staaten schlüpfen kann. Wenn du meinen Rat hören willst: laß uns abwarten, bis Susanne sich wieder meldet oder irgendwo auftaucht …«
»Bis dahin bin ich bestimmt irrsinnig vor Sorge geworden …«
Frank Barron war aufgesprungen und lief in dem Zimmer auf und ab. Die Ohnmacht, in der er sich befand, das Wissen, hier in Ohio zu sitzen und nicht helfen zu können, machten ihn rasend. Wenn er jetzt wenigstens bei ihr wäre und man zusammen beraten könnte, was zu tun sei … ja das wäre etwas anderes. Aber so – sie in einem Hafen oder sonstwo, und er in
Weitere Kostenlose Bücher