Niemand lebt von seinen Träumen
wenn das Schiff in New York anlegt?«
»Dann wird Miß Betsy Smith verschwunden sein. Jack Crecco wird sie auf irgendeine Weise – und ich bin sicher, er ist da um eine ausgefallene Idee nicht verlegen – kurz vor dem Anlegen von Bord geholt haben. Dann sollen die Behörden mal nach der nicht existierenden Betsy Smith suchen. Ich wünsche ihnen viel Vergnügen dabei. Denn in Amerika gibt es nur eine Susanne Braun – und von deren Existenz ahnt zunächst einmal wirklich niemand etwas.«
»Percy, wenn ich mir das so anhöre – ich weiß wirklich nicht, ob Rechtsanwalt der richtige Beruf für dich ist«, grinste Frank und klopfte Dr. Yenkins vergnügt auf die Schulter. »Du bist wirklich ein Teufelskerl!«
Aber sofort wurde er wieder ernst: »Laß uns das sofort an Susanne schreiben. Das macht ihr Mut und läßt sie fröhlicher in die Zukunft sehen. Am besten, du schilderst ihr selbst deinen Plan.«
»Meinetwegen.« Yenkins nickte und nahm vom Schreibtisch Papier und Kugelschreiber. Dann sah er Frank Barron an.
»Fräulein Susanne Braun«, diktierte Frank mit neuem Mut. »Köln-Lindenthal, Stadtwaldallee 24.«
Dr. Yenkins schrieb mit großen steilen Buchstaben die Adresse. »Ich kenne Köln«, lächelte er. »Es wurde ja leider im Krieg schrecklich zerstört. Und im Stadtwald bin ich, als ich noch ein schmucker Captain war, immer umhergeritten. Ich halte dir beide Daumen, daß unser Plan gelingt.« Er beugte sich wieder über das Papier und nickte Frank zu.
»Und jetzt soll sie hören, wie sie zu ihrem Frank kommt. Nur eins bitte ich mir aus, mein Bester.«
»Und das wäre?«
»Daß ich euer Trauzeuge bin …«
Lachend schlug Frank in die dargebotene Hand ein.
6
Mit einem scheußlichen Quietschen drehte sich ein Schlüssel im Schloß. Dann öffnete sich die Tür und ein mittelgroßer, in einen alten Schlafrock gekleideter Mann, Ende Vierzig, stand auf der Schwelle. Er musterte das Mädchen im Treppenhaus kurz, ehe er grüßte und die Tür weit aufstieß.
»Sie wollen zu mir?« fragte er mit einer salbungsvollen Stimme.
Susanne Braun nickte. »Zu Herrn Franz Sabelmann«, sagte sie unsicher. »Dem Herrn, der die Ausreisen vermittelt.«
Der Mann im Schlafrock nickte lebhaft und rieb die Hände aneinander. Er machte so erst recht den Eindruck eines schmierigen Trödlers, der einen Rock voller Motten als kaum getragen verkauft hätte.
»Sie sind richtig, Sie sind völlig richtig!« sagte er schnell. »Kommen Sie näher. Wir wollen sehen, was wir für Sie tun können.«
Durch einen dunklen, langen Flur, in dem man dank der Finsternis den dicken Staub nicht sah, gingen sie in ein großes, quadratisches Zimmer, an dessen Fenster ein breiter, wackliger Schreibtisch stand, bedeckt mit einem Stapel Papiere. Eine große Weltkarte bedeckte die Fläche einer ganzen Wand. Kleine rote Fähnchen waren auf ihr an vielen Punkten der Erde festgesteckt.
Stolz wies Franz Sabelmann auf die Weltkarte.
»Unsere Erfolge«, meinte er. »Jede Fahne bedeutet einen Auswanderer, der am Zielort angekommen ist! Sie sehen, es gibt keinen Teil unserer Erde, wohin wir nicht die besten Verbindungen haben.«
Er setzte sich hinter den Schreibtisch und faltete die Hände.
»Und womit kann ich Ihnen dienen?«
»Ich möchte nach Amerika«, sagte Susanne langsam.
»Nach Argentinien? Oder Brasilien?«
»Nein, nach New York!«
»Du lieber Himmel!« Franz Sabelmann hob die Augen zur Decke und ließ die Hände auf den Papierstapel fallen. »Alles will in die USA. Als ob die Welt nur noch aus Amis bestünde. Haben wohl einen kleinen Sergeanten drüben? Was?«
Susanne fand die Frage äußerst taktlos, aber sie antwortete trotzdem: »Nein, mein Bräutigam ist Deutscher. Er ist dort Ingenieur in Ohio. Wir wollen heiraten.«
»Meinen Glückwunsch im voraus.« Sabelmann machte die Andeutung einer Verbeugung im Sitzen. »Und nun wollen Sie unbedingt nach drüben?«
»Natürlich.«
»So natürlich ist das gar nicht.« Franz Sabelmann sah auf seine Hände mit den schmutzigen Fingernägeln. »Eine Ausreise in die USA zu vermitteln, ist nämlich im Augenblick absolut undurchführbar.«
»Quote erfüllt!« sagte Susanne lakonisch.
»Stimmt. Ich sehe, Sie kennen sich aus! Da kann auch ich nichts machen.«
»Und wie wäre es mit illegaler Einwanderung?« fragte Susanne leise.
»Ausgeschlossen! Das kostet mich meine Lizenz, und Sie kommen ins Kittchen. Das lassen Sie mal schön bleiben, kleines Fräulein. Das haben schon ganz andere vor Ihnen
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