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Niemand

Niemand

Titel: Niemand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Rensmann
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beugte sich zu ihr hinunter, Tränen in den Augen und einen Schrei auf den Lippen. Sie konnte nicht feststellen, ob Lilly atmete.
    Eine Armlänge entfernt lag eine braune Decke. Nina wickelte die Katze darin ein und nahm sie hoch.
    Fräulein Klimper stand direkt neben Nina und fuchtelte mit ihrem Zauberstab herum, aber der schien völlig wertlos. Niemand Sonst sollte sterben, dachte Nina spontan und schämte sich dafür.
    »Du musst uns hier wegbringen, Fräulein Klimper!«, schrie sie.
    »Ich kann nicht!«
    Nur ein Wunder konnte sie retten. Niemand Sonst hatte sie in die Enge getrieben. Er lachte, seine Schritte endeten eine Handbreit vor ihnen. Nina hörte ihn, schnappte sich die Fee, drückte Lilly und Fräulein Klimper an ihre Brust, als seien es ihre Stofftiere, die sie niemals hergeben würde.
    Doch zwei fehlten: Anton und Petit.
        

59.

    Niemand horchte. Die Stille irritierte ihn.
    Wo waren die Niemandsländer? Hatten sie es sich anders überlegt und ihm den Rücken gekehrt?
    Der Schalter, nicht mehr als ein Ast, steckte in einem abgesägten Baumstamm. Unauffällig, kaum als Zeitschalter erkennbar, bestens geeignet als Futter für des Teufels Brennofen, und doch rankten sich nicht minder viele Mythen um das Stückchen Holz wie um den mit Edelsteinen besetzten Thron. Der Schalter zeigte gen Himmel. Mittagszeit. Die Sonne blieb an einer Stelle stehen. Ein Stein klemmte im Schalter fest und verhinderte, dass er sich bewegte. So würde die Nacht niemals kommen können. Niemand versuchte, den Stein herauszuziehen, und stellte fest, dass es sich um den zur Statue gewordenen Admiral handelte. Jemand musste ihn dort hineingesteckt haben, als er bei Sonnenaufgang versteinerte. Wer könnte das gewesen sein? Niemand sah sich um.
    Stimmen. Gesang. Gelächter.
    Seine Nackenhärchen stellten sich auf. Die Niemandsländer, sie kamen! Sie kamen doch!
    Jesus und der Nikolaus lotsten die Gruppe zum Zeitschalter.
    Er sah sie, aber sie ihn nicht. Wie sollte er ein Volk führen, dem er sich nicht zu erkennen zu geben wusste?
    Eine Herde Kühe, die von Affen geritten wurde, und eine Horde Hunde – aus der Klasse der Dummen und Doofen – trottete neben ihnen her, angeführt von einem braunen Mischling. Der Feige Hund? Niemand hatte schon oft versucht ihn zu streicheln, aber die Angst hatte den Feigen Hund stets davongetrieben. Jetzt tänzelte der Feige Hund mit erhobenem Kopf und grinste. Nur die Rute hatte er noch zwischen den Hinterläufen eingeklemmt; manchmal verselbstständigte sich sein buschiger Hundeschwanz, schnellte hervor, wedelte freudig, dann verschwand er wieder zwischen den Hinterläufen. Niemand lächelte. Ein Gefühl von Wärme breitete sich in seinem Magen aus. Ein gutes Gefühl. So vieles veränderte sich.
    Mit einem Mal stoppte der Nikolaus abrupt, breitete die Arme aus und rief: »Stehen bleiben!«
    Nicht alle Niemandsländer folgten der Anweisung. In den hinteren Reihen stolperten ein paar Babbelfritzen übereinander, vermutlich hatten sie wieder einmal nicht aufgepasst und ununterbrochen gelabert. Ein Witzknubbel kicherte irgendwo in den Reihen zusammen mit dem Scherzkeks.
    »Warum bleiben wir stehen?«, fragte das Dumme Würstchen. Der Feige Hund schnupperte an seinem unteren Wurstzipfel. Als der Hund daran zu lecken begann, wurde es dem Würstchen zu dumm. »Verschwinde, du blöder Köter.« Es hüpfte in die Menge, der Hund hinterher. Die Niemandsländer kicherten und brachen in Gelächter aus, als der Feige Hund das Dumme Würstchen erwischte und zwischen den Zähnen herumtrug, die Rute stolz erhoben. Angst hatte der Feige Hund keine mehr. Das Würstchen zappelte und fluchte.
    »Leg ab!«
    Das Lachen der Niemandsländer verstummte.
    Der Hund reagierte sofort, das Würstchen verschluckte sich an seinem letzten Fluch, als es zu Boden fiel. Hundesabber lief von einem Zipfel zum zweiten. Das arme Dumme Würstchen würgte.
    Alle sahen zu Niemand, obwohl niemand ihn sah.
    Der Nikolaus löste sich als Erster aus dem Pulk der Niemandsländer und ging Niemand mit ausgebreiteten Armen entgegen. »Mein Sohn! Da bist du ja! Wo ist die kleine Nina?«
    »Mein Vater hat sie.« Er drückte sich in den dicken Wanst des Nikolaus und inhalierte den Duft von Zimt, Rosinen und Bratapfel. Als er sich aus der Umarmung löste, wusste Niemand, dass es das letzte Mal gewesen war, sich wie ein Kind zu fühlen.
    Die Niemandsländer waren ein Stück näher gekommen und wenige Mutige aus den ersten Reihen, betrachteten den

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