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Niemand

Niemand

Titel: Niemand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Rensmann
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sich zwingen, nicht wegzulaufen.
    Sie warteten.
    »Was erwarten sie von mir?«, flüsterte Niemand dem Nikolaus zu.
    »Du musst sie jetzt führen. Sie sind noch nicht so weit, Entscheidungen alleine zu treffen, bis auf ein paar wenige Ausnahmen. Sie kennen es nicht anders. Zeige ihnen, wie es geht.«
    »Aber wie soll ich das? Ich weiß selbst nicht, wie es geht.«
    »Doch, das kannst du, mein Sohn.« Der Nikolaus nickte ihm zu. Er wusste immer genau, wo Niemand stand, ein weiser alter Mann, der sah – auch wenn es nichts zu sehen gab.
    Niemand dachte an Nina.
    Und handelte. Er drehte sich von den Niemandsländern weg.
      
    Der Admiral steckte so fest, dass Niemand es nicht gelang, die kleine Statue zu befreien. Die Dreikäsehochs, das mussten sie sein, so hatte Niemand sie sich vorgestellt, und ein Irgendwas – ein Niemandsländer, den er noch nie gesehen hatte und dessen Bezeichnung er nicht kannte – standen ihm tatkräftig zur Seite. Sie zogen und zerrten, sie drückten und schoben, doch der Zeitschalter bewegte sich keinen Millimeter. Einige Niemandsländer feuerten sie an. Die meisten warteten ab. Sie wussten nicht, wie sie helfen sollten.
    Erst als ein Klugscheißer meinte, sie müssten den Hebel nach links drücken und den Admiral gleichzeitig nach rechts oben herausziehen, befreiten sie den versteinerten Admiral – und mit ihm die Nacht.
        

60.

    Die Nacht überwältigte Nina wie ein Verbrecher, der sich hinterrücks angeschlichen hatte, und raubte ihr Licht und Orientierung. Auch Niemand Sonst schien von der Situation überrascht. Nina rückte ein Stück zur Seite. Sie hatte ihn vorher nicht sehen können, jetzt sah er sie auch nicht mehr. Ein Vorteil für sie.
    Mit ihrer Schwester Suse hatte Nina oft Verstecken gespielt – im Dunklen. Suse hatte Nina nie gefunden.
    Nina bewegte sich leise, verspürte keine Angst mehr, als sei die Nacht ihr Element. Sie verließ sich auf ihre Sinne und schloss die Augen. Niemand Sonst erleichterte ihre Flucht zusätzlich. Er schimpfte. Sie hörte seine Stimme, seinen Atem – und sie roch ihn. Ein ekelhafter Gestank. Dabei dachte sie an Bananen … Was roch noch mal nach Bananen, hatte Niemand gesagt? Oder war es ein anderer Geruch? Sie wusste es nicht mehr.
    Hell.
    Die Nacht verschwand so schnell, wie sie gekommen war. Nina erschrak.
    »Ah, da bist du!«, schrie Niemand Sonst, stürzte sich auf Nina, die sich mit einem gekonnten Sprung aufs Bett rettete. Fräulein Klimper schrie auf, Lilly war noch immer nicht aufgewacht. Wenn die Katze tot war, würde Nina Niemand Sonst … Ach, was könnte sie schon gegen einen unsichtbaren, brutalen Mörder ausrichten? Sie spürte eine Woge Selbstmitleid über sich schwappen, die ihren Mut ertränkte.
    Nacht.
    Niemand Sonst brüllte wütend. Ihr Herz hämmerte wild. Die Bettfedern quietschten, als sie darüberlief.
    Tag.
    Was geschah hier nur?
    »Wer spielt am Zeitschalter rum? Verdammt noch mal. Macht denn keiner mehr, was ich sage?«, brüllte Niemand Sonst.
        

61.

    Das fremdartige, schnalzende Geräusch des Schalters, als die Statue des Admirals herausrutschte, ließ die schreckhaftesten unter den Niemandsländern zusammenzucken. Eine Bessere Hälfte schrie erschrocken auf.
    Schlagartig brach die Nacht herein. Die wartende Menge stöhnte überrascht. Keiner rührte sich. Angst und Überraschung lähmten sie.
    Kreischen, Wälzen, Stampfen. Die Statuen erwachten. Die Nachtmahre kämpften sich aus ihren Verstecken. Sie hörten den Ruf des Windes. Sie kamen. Der Admiral flatterte aus Niemands Hand empor. Ein Schmetterling, größer als seine Artgenossen, kleiner als jede andere Statue des Niemandslandes.
    »Wer hat dir das angetan?«, wollte Niemand wissen. Eine Antwort erhielt er nicht.
    Helligkeit blendete ihre Augen. Stille. Die Wesen, die nur des Nachts erwachten, fielen in ihren starren Schlaf zurück. Der Admiral fiel wie ein Stein, doch Niemand fing ihn auf, bevor er auf dem Boden zerschellte.
    Der Zeitschalter schwang hin und her. Schneller als der Schaumschläger Schaum schlug.
        

62.

    »Tötet sie! Alle! Ich will hier kein Geschrei in meinen Mauern, keine Verräter und keine Widersacher«, befahl Niemand Sonst.
    Aber wem?
    Nina wollte nicht darauf warten, welchen Wesen sie zum Opfer fallen sollte.
    Nacht.
    Tag.
    Nacht.
    »Dieses Dunkel-hell-dunkel muss sofort aufhören. Zerstört den Zeitschalter! Ich befehle es euch!«
    Er drehte völlig durch.
    Nina stürzte zur Tür und auf den Flur

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