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Niemand

Niemand

Titel: Niemand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Rensmann
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hinaus.
    Hell. Sie sah sich um.
    »Lauf. Lauf einfach geradeaus!«, rief Fräulein Klimper und drückte ihr Gesicht an Ninas Brust, als fürchte sie sich vor dem, was am Ende der Burg auf sie wartete.
    Nina rannte!
    ******

    »Er ist schlecht. Er ist böse. Er benutzt euch nur!« Anton, rot wie die Armee, Adoptivpapa eines weinenden Trauerkloßes, flehte die Armee an, die so rot war wie er.
    Er hatte sich davongeschlichen, als Niemand Sonst die Türe aufgedrückt hatte. Es war so einfach gewesen, schon zum zweiten Mal war er ihm entwischt, doch Anton wollte nicht fliehen. Er stand am offenen Tor, das er ungehindert hätte passieren können, denn die Rote Armee nahm ihn – rot wie er war – nicht wahr. Anton wollte die Armee davon überzeugen, dass Niemand Sonst ihr Feind war, nur dieser Wahnsinnige, sonst niemand. Aber die Rote Armee war dumm. Allesamt und zusammen, die Dummheit in rot. Falls die Farbe an der Dummheit schuld war, würde sich Anton waschen und neu färben müssen – grün oder gelb. Egal. Aber bald.
    Was war das?
    Nacht! Niemand musste den Zeitschalter erreicht haben. Anton verspürte Stolz, Zeuge dieses mächtigen Ereignisses zu sein. Die Nacht hatte er noch nie außerhalb der Mauern erlebt. Niemand Sonst hatte ihn vor den Nachtmahren gewarnt, die Drecksäcke jagten, fingen und in das Gar Nichts warfen, wo sie zu verhungernden Jammerlappen schrumpften. Niemand Sonst hatte ihm viel gesagt, gedroht, ihn geschlagen und getreten. Niemand Sonst war die Bösartigkeit der Unsichtbarkeit. Anton fürchtete sich nicht mehr vor Niemand Sonst, denn er war ihm entkommen – dem Schlimmsten in seinem Leben.
    Das Tageslicht schaltete sich wieder ein.
    Petit war eingeschlafen, Anton legte ihn sacht in seine Sacktasche, wo das Klößchen leise schnarchend weiterschlief.
    »Hört mir zu.« Anton redete leise, um Petit nicht zu wecken. Die Rote Armee hatte ihre Ohren überall, sie würden auch sein Flüstern hören.
    Nacht.
    Es gab Probleme. Anton hoffte, dass es Niemand war und keine bösartigen Gestalten des Niemandslandes, die den Zeitschalter betätigten.
    Tag.
    Er hatte noch nie welche getroffen, denn bis zu diesem Tag durfte er die Burg nie ohne Niemand Sonst verlassen. Und wenn Niemand Sonst durch das Land glitt wie ein böser unsichtbarer Geist, dann versteckten sich alle – auch die grausigsten Gestalten. Alle fürchteten sich vor Niemand Sonst.
    Nacht.
    Vielleicht war es der Teufel? Aber der war nicht böse, eher lächerlich. Dann die Goldgelockten-Giganten-Greislinge?
    Tag.
    Noch einmal versuchte Anton, die Aufmerksamkeit der Roten Armee auf sich zu lenken.
    Nacht.
    Sie antworteten ihm nicht. Solange er nur als roter Sack vor ihnen hin und her hüpfte, bat und bettelte, erkannten sie ihn nicht. Er würde sich als Verräter outen. Ein Risiko. Und zuerst musste er Petit gut untergebracht wissen. Nur wo? Oder wem sollte er sein Trauerklößchen anvertrauen?
    Tag.
    Schreie auf dem Flur lenkten ihn von seinem Vorhaben ab. Anton drehte sich um und sah Nina, die auf ihn zurannte. Die Arme vor der Brust verschränkt, hielt sie darin eine braune Decke und … Fräulein Klimper? Wie ein Sack mit Beinen sah sie aus. Anton spürte eine Röte in die Sackwangen steigen. Wie süß sie war, diese Nina.
    Dann hörte er das Brüllen von Niemand Sonst.
    Wütend. Mordsgewaltig. Er würde sie alle töten.
    ******

    Das Pendeln des Schalters verlangsamte sich, nachdem er zuerst wie ein wild gewordener Schaumschläger Tage und Nächte im Zeitraffer ein- und ausgeschaltet hatte. Sie hatten die Sonne aufgehen und in Sekundenschnelle auf der anderen Seite des Niemandslandes versinken sehen. Ein beängstigendes Schauspiel. Einige Niemandsländer hatten geweint, andere stumm und erstaunt in den Himmel gestarrt. Alle hatten geschwiegen und abgewartet.
    Niemand wusste, dass die Nacht nicht länger als einen Tag lang ausgeblieben sein konnte, sonst hätte die Müdigkeit ihn öfters bezwingen müssen, aber er war nur einmal eingeschlafen, kurz bevor er Nina getroffen hatte. Bei all den Aufregungen dieses überlangen Tages war er nie müde gewesen. Der Schalter hatte so viel Spannung aufgebaut, dass er in wilden Pendelbewegungen einige Tage vorausgeschnellt war, nachdem sie die Blockade gelöst hatten. Rasant, rücksichtslos. Niemand hatte gebangt, geschwiegen und gehofft. Einige Niemandsländer hielten sich in den Armen und beweinten den Untergang des Niemandslandes. Dann beruhigte sich der Zeitschalter.
    Klack. Hin.
    Nacht.
    Und

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