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Niemand

Niemand

Titel: Niemand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Rensmann
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geschehen!«
    Das Himmlische Kind polierte gelangweilt sein Horn.
    »Ich kann das!«, rief der Taugenichts, und der Nichtsnutz meinte: »Ich auch.« Er kämpfte sich einen Weg nach vorne, schob Niemandsländer zur Seite, die kleiner als er waren, und krabbelte zwischen den Beinen der großen hindurch. Dabei stellte er sich so ungelenk an, dass er die Zimtzicke umstieß, die mehrere Niemandsländer mit sich riss, und zwei Strichmännchen übersah, deren dürre Glieder sich ineinander verhedderten. Erst dem neben ihnen stehenden Knallkopp gelang es, sie auseinanderzuknoten.
    Niemand seufzte.
    Wer nicht mehr mit einem Nachbarn kämpfte, der auf ihn gefallen war, oder sich selbst wieder aufzurappeln versuchte, machte Platz für einen weiteren Freiwilligen – groß und bis vor wenigen Stunden eine gefürchtete, wütende Baumwurzel: »Niemand mag Nina. Nina ist gut. Ich kenne sie. Ich gehe mit!« Das Wurzelmännchen blickte am Nichtsnutz und dem Taugenichts vorbei. Er ahnte, irgendwo dort befand sich der unsichtbare Herrscher – die Stimme aus dem Nichts. Niemand stand jedoch in der entgegengesetzten Richtung, eine Armlänge vom Wurzelmännchen entfernt.
    Niemand war niemand, war es immer gewesen, so wie es sein Vater ihn all die Jahre hatte spüren lassen. Und doch wollten ihm alle helfen. Niemand schloss die Augen. Er seufzte fast stumm. Keiner der Anwesenden sollte seinen Kummer hören. Seinen nunmehr säuerlichen Kümmel-Geruch überdeckte er mit dem leckerlieblichzuckersüßen Erdbeerduft, weil er sie in seinem Kopf hatte. Nina.
    »Auch ich weiß, wie Nina aussieht. Dann wären wir sechs. Wir finden Nina und bringen sie dir zurück. Unversehrt. Sei beruhigt, mein Sohn.« Der Nikolaus lächelte und zwinkerte Niemand zuversichtlich zu. Aber die Unruhe verließ Niemand nicht. Er schickte den zusammengewürfelten Suchtrupp los und führte die Niemandsländer direkt zum Thron.
        

70.

    Geradewegs gierten die Goldgelockten-Giganten-Greislinge gen Geburt ihres Gigantischen Greislinglandes.
    Geduldig giggelten und gahten sie gegenüber dem großen glitzernden Gestuhle und grüßten gebieterisch das goldene Gestirn. Ein Getanze und Gegeiere, Gestampfe und Gewälze im grünen Gras gleichermaßen. Goldenes Gestirn, goldenes Glitzergedöns und die Goldsträhne des goldblonden Görs gaben ihnen gigantische Größe und gleichsam das Gefühl von glückseliger Gewaltbereitschaft.
    Ihrem Gefolge gelobten sie goldige Gezeiten.
    Gedanklich gelobten die Goldgelockten-Giganten-Greislinge die große Gartenparty aus und gierten nach einem geschmacklich genialen Gusto aus G-Buchstaben-Suppe, garniert mit grün glänzenden Goldfliegen, gleichwohl es Genanntes erst nach dem Gemetzel gab.
    Der Glanzpunkt dieses grandiosen G-Days: der Gebrauch des goldenen G.
        

71.

    Niemand musste Nina wiedersehen. Seine Ungeduld weckte ein Gefühl in ihm, das frisch und würzig, völlig neu nach Meerluft roch: die Sehnsucht. Sie verstärkte und vermischte sich mit Erdbeerduft, wenn er sich ihr Gesicht in Erinnerung rief, ihr Lachen, den Duft ihrer Haare.
    Doch als er den höchsten Berg des Niemandslandes erklomm – die Niemandsländer dicht hinter ihm – und er den Thron erblickte, war er froh, dass sie sich irgendwo, weit weg im Niemandsland befand.
    Niemand Sonst hatte die Burg auf halber Höhe des Berges errichten lassen und so hoch gebaut, dass sie die Sicht auf den Thron nahm. Die dunklen Mauern schluckten nicht nur das Sonnenlicht, sondern auch den Glanz der Edelsteine, die den Thron rundherum bedeckten.
    Niemand war nur einmal hier gewesen, am selben Tag, an dem er den Nikolaus besucht hatte und zur Strafe von seinem Vater eingesperrt worden war. Er hatte den Thron ohne jegliche Regung betrachtet. Ihn nie berührt, nicht um seine Mutter geweint, nicht den Diamanten gesucht, in dem ihre Seele schlummerte, und sich auch keine Gedanken darüber gemacht, wer in den bunten Edelsteinen eingeschlossen worden war – und warum.
    Das änderte sich augenblicklich.
    Er spürte Aufregung.
    Es waren nicht die Edelsteine – Rubine, Smaragde, Amethyste, Tigeraugen, Bergkristalle, Topase, Rosenquarze und natürlich Diamanten –, auf die es sein Vater – und bis vor Kurzem sein Onkel – abgesehen hatte, sondern die Seelen, die mit all ihrem Wissen in den bunt schillernden Steinen eingeschlossen waren. Die Macht, die der Thron dem wahren Herrscher übertrug, die Verantwortung, diese Seelen und deren Wissen zu behüten.
    Niemand spürte

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