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Niemand

Niemand

Titel: Niemand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Rensmann
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Tasche.«
    »Wehe, du wünschst dir eine. Ich verbiete es dir! Diesen und jeden anderen Wunsch. Auf diesen Stress habe ich keine Lust mehr.« Fräulein Klimper stampfte mit den Füßen auf.
    »Dann trag Petit – wiegt ja nichts, das Klößchen – und ich nehme die Klimperliese«, sagte Lilly, schnappte sich die schimpfende und strampelnde Klimper-Wünsche-Fee, warf sie auf ihren Rücken und rannte einige Meter voraus, bevor sie sich zu Nina umdrehte. »Los. Wir müssen zum Thron. Wenn wir zu den anderen stoßen, hat Niemand Sonst keine Chance.«
    »Aber wo ist er jetzt? Ich höre ihn nicht mehr.« Nina versuchte Zeit zu schinden. Sie glaubte, nicht einen Schritt weitergehen zu können.
    »Ich rieche ihn. Er ist da, aber noch weit entfernt. Er ist außer Atem. Lass uns verschwinden. Nun komm!«
    Nina stemmte sich hoch und stöhnte. Ihre Muskeln schmerzten. Sie griff nach der Decke, in die sie Lilly zuvor eingewickelt hatte, und formte ein Nest daraus. Bevor sie Petit hineinlegte, entdeckte Nina eine Stickerei darauf – nur die Mitte eines Wortes oder eines Bildes.
    Doch sie hatte die Decke so in sich verschlungen, dass sie nichts entziffern konnte.
    »Nina! Verdammt! Komm!«
    Behutsam setzte sie Petit ins Nest, hielt es in der linken Armbeuge gegen den Bauch gepresst und lief hinter der Katze her. Nina fiel es schwer, das Gleichgewicht zu halten, und sie dachte an afrikanische Frauen, die mit schwer beladenen Körben oder Krügen voller Obst, Gemüse oder Wasser auf ihren Köpfen die schwierigsten Wege, meist barfuß, bei größter Hitze bewältigten. Und sie jammerte jetzt schon. Durst hatte Nina auch. Und Hunger. Sie würde gerne wieder beim Nikolaus am Tisch sitzen und seine niemandslandberühmte Zahn-Pasta probieren.
    Sie bewegten sich im Takt von Petits sirenenartigem Heulen und kamen schnell voran.
    »Wo ist Anton? Wo ist Niemand? Warum ist mein Wunsch nicht in Erfüllung gegangen? Was zählen Wünsche, wenn sie nicht funktionieren?«
    Fräulein Klimper umklammerte zwei Fellbüschel wie Knüppel, und hatte den Zauberstab zwischen die Zähne geklemmt. Im Staffellauf war Nina gut, geschickt zog sie der Fee den Stab aus dem Mund und legte ihn zu Petit.
    »Ich bin auch völlig ratlos«, sagte Fräulein Klimper.
    »Du kannst dich nicht zu einem Niemand wünschen, auch wenn der Niemand der Herrscher des Niemandslandes ist. Niemand braucht seinen Namen!« Das war Lilly.
    »Schlau, dieses Katzenvieh, nicht wahr? Vielleicht sollte ich mich auch mal gegen die Wand klatschen lassen«, sagte Fräulein Klimper und tätschelte Lilly die Stirn.
        

68.

    Niemand Sonst hatte keine Eile mehr, diese stinkende Nina zu erwischen. Er wusste jetzt, wohin all seine Untertanen unterwegs waren – sie folgten dem Ruf des Windes. Ein poetisches Geflüster, dem er nie Gehör geschenkt hatte. Wozu auch? Der Dritte Mann und die Treulose Tomate hatten ihn über Jahre hinweg mit Informationen versorgt. Die Treulose Tomate war schon vor Monaten verschwunden. An ihrer Stelle war der An-Geber getreten, doch der war nicht zuverlässig genug. Aber der Dritte Mann war ihm stets ein ergebener Diener geblieben. Erst nachdem er ihm von einem unbekannten Wesen – dem menschlichen Mädchen – berichtet hatte, war er untergetaucht. Er hatte noch mehr gewusst.
    An diesem zu langen Tag hatten sich die Ereignisse überschlagen, wie dieser Tummel Mutz, von dessen Vorwärts- und Rückwärtsgerolle ihm schon beim Zusehen schlecht geworden war. Als Strafe hatte Niemand Sonst ihn einmal fünf Wochen lang eingesperrt. Der Drecksack hatte ihn angefleht, den Tummel Mutz gehen zu lassen, aber Niemand Sonst war hart geblieben.
    Und wo sein liebster Drecksack abgeblieben war, das wusste Niemand Sonst längst; getürmt war er, bezirzt von dieser Nina. Angestiftet hatte sie ihn und alle anderen im Land. Aber er würde den Spieß umdrehen und alle gegen sie aufhetzen.
    Niemand Sonst stolperte über eine Wurzel und stürzte zu Boden. Erschöpft blieb er liegen, das Gesicht tief in das weiche Moos gedrückt. Er atmete den feuchten, modrigen Geruch ein, der dem seinen ähnelte.
    Und als er dort lag, gesellte sich die Einsamkeit zu ihm, hockte sich neben ihn wie ein Schatten, strich ihm die fettigen Haare zur Seite und hauchte ihm Gedichte über Trauer und Verrat ins Ohr. Ein Kloß, so dick, dass er kaum zu atmen wusste, setzte sich in seinem Hals fest. Eine seltsame Feuchtigkeit tropfte aus seinen Augen. Blut? Schweiß? Niemand Sonst wusste es nicht. Er glaubte,

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