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Niemand

Niemand

Titel: Niemand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Rensmann
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südlich stand, weinten mit ihnen, denn der Wind heulte in dieser Nacht traurige Arien.
    Sie hatten noch nicht bemerkt, dass sich die Statuen ihnen angeschlossen hatten, angeführt vom Admiral, dem kleinsten unter den nächtlichen Wandlern, aber dem weisesten. Die Schultern des Kopflosen Reiters bebten. Nie wieder würde er Niemand nach Hause bringen müssen. Das kämpferische Schuhuen der Nachteulen reduzierte sich zu einem leisen »Schuhu«, die Muh-Tanten schwiegen, die Nachtmahre hatten sich, ohne Unheil anzurichten, wieder verkrochen, der Schwarze Mann rauchte sich eine Zigarette und stand abseits aller trauernden Niemandsländer. Er dachte über seine Aufgabe nach, die ihm einst Niemand Sonst auferlegt hatte. Nie wieder würde er die Frage stellen: »Wer hat Angst vorm Schwarzen Mann?«, und Niemand in seinen Träumen jagen, bis dieser unter Tränen schrie: »Niemand!«
    Der Tod auf Urlaub hätte seinem Namen am liebsten alle Ehre gemacht. Er stand, blass und vom Sterben gekennzeichnet, neben ihnen, aber seine Abwesenheit hätte jeder begrüßt. Zu viele waren heute gestorben.
    Sie hatten nicht nur Mister Dings und Misses Bums und den Roboter mit der Nummer 89 verloren, es waren zu viele Roboter unten den Füßen der grässlichen Greislinge zerschrottet worden. Der Arschkriecher, zwei Doofmänner, ein Affenkopf, ein Dutzend Dumme Kühe, drei mehr als ein Dutzend Doofe Hunde, einer der Dreikäsehochs, zwei Hohle Früchte, ein Besserwisser und ein Platzhalter starben im Kampf.
    Sie hatten für Niemand und das Niemandsland gekämpft und hatten ihr Leben gegeben.
    Für den toten Niemand.
    Die Goldgelockten-Giganten-Greislinge waren für diese eine Nacht besiegt, sie waren geflüchtet, hatten sich in Erdlöchern und hinter Büschen versteckt. Sie würden erst an irgendeinem neuen Tag zurückkehren, wenn die Sonne ihnen Größe und Macht verlieh und sie die Feigheit besiegt und neue Sklaven gezüchtet hatten.
    Niemand Sonst gab es nicht mehr. Das rote Monster war verschwunden. Wohin, das wusste nicht einmal der Wind.
    Die Niemandsländer, von denen jeder einzelne einen Namen verdiente, blieben allein zurück. Sie hatten gewonnen. Und sie hatten verloren.
      
    Alle Niemandsländer jammerten wie einst nur der Jammerlappen. Alle Niemandsländer heulten, wie es früher nur die Heulsuse konnte. Und alle trauerten – wie der Trauerkloß vor seinem Tod.
        

90.

    Der Phrasendrescher kämpfte allein gegen die losgelassenen Floskeln, die sonst chronologisch sortiert vom Himmlischen Kind über die Grenze gepustet wurden, die nicht zu sehen war, an der jedoch bodendeckende Beeren mannigfacher Art wuchsen. Köstlich und zuckersüß.
    Er hörte all die traurigen Gesänge des Windes und er weinte in stiller Einsamkeit mit ihm und den Niemandsländern, die im Liebeswäldchen um Niemand trauerten.
    Obwohl der Phrasendrescher klein war, bewegte er sich rasend schnell und überholte dabei manchmal das Licht.
    »Hast du Angst vorm Schwarzen Mann?«, rief der kleine Phrasendrescher. Und patsch – hatte er auch diese flüchtige Floskel zerhackt.
    Schon bald würden neue gedeihen, aber die sperrte der Phrasendrescher dort ein, wo sie hingehörten. Zwischen Anfang und Ende und Ende und Anfang des Floskelwegs. Einige würden sich im Floskelwald verstecken. Aber so durfte es auch sein.
    ******

    Auch Jesus und der Heilige Geist vernahmen den Wind. Und obwohl der Heilige Geist noch schwach war und seine Stimme rau von all den Geschichten, die er den Kreischzwergen erzählen musste, machten sie sich auf, um mit den Niemandsländern zu trauern.
        

91.

    Der Nikolaus schluchzte wie ein Kind. Wie konnte das nur geschehen? Er zog seine rote Jacke aus und deckte den fast nackten Körper Niemands damit zu. »Mein Sohn, wärest du meiner gewesen, du lägest nicht hier.«
    Als er neben Niemand kniete, hörte er ein leises Wimmern, tief aus Niemands Kehle. Der Nikolaus schaute auf. »Habt ihr das gehört?« Ein Hoffnungsschimmer streifte die Köpfe der Trauernden und ließ ihnen die Nackenhaare abstehen, sofern sie welche hatten. Das Weinen und Wehklagen stoppte. Alle lauschten.
    Der Nikolaus hob Niemands Oberkörper vorsichtig an und bettete ihn in seine Arme. Wieder drang ein Jammern an ihre Ohren. Doch Niemands Augen blieben geschlossen, sein Brustkorb unbeweglich. Die Haut blass aber warm.
    »Das ist Petit!« Anton stürzte auf Niemand zu. »Aber wo ist er? Petit? Mein kleines Klößchen, wo bist du nur?«
    »Es kommt aus

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