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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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juristische Texte, die möglichst schnell übersetzt werden müßten. Und wenn man sie schon bitte, ihre besonderen Kenntnisse einzusetzen, könne sie nicht kneifen, erklärte sie.
    Er erwiderte mechanisch, er habe volles Verständnis, fragte, wann sie fertig sein werde, erbot sich, sie abzuholen, und schlug vor, sie sollten irgendwo essen gehen.
    Sobald das Telefonat mit Tessie beendet war, bestellte er schnell einen Tisch. Anschließend versuchte er, sich in den Zustand des Nicht-Denkens zurückzuversetzen.
    Doch die Musik hatte etwas tückisch Geheimnisvolles an sich. Im Auto hatte er die Vorderseite der Kassette gehört, das heitere Klavierkonzert Nummer 23 in A-Dur. Auf der Rückseite hörte er jetzt das Klavierkonzert Nummer 24 in c-Moll. Es machte ihn traurig, doch er wußte nicht warum. Es mußte etwas sein, was Tessie gesagt hatte.

5
    Carl staunte, daß ihm nicht unangenehmer zumute war. Die neue Regierung war seit drei Tagen im Amt, und schon jetzt hatte man ihn zum Rektor gerufen wie einen Schüler, das heißt zum Verteidigungsminister. Das Wartezimmer war ein kleiner Alkoven im Flur, in dem kaum mehr als drei Personen Platz hatten. Auf einem kleinen Tisch zwischen dem Sofa und den zwei kleinen Sesseln lagen einige Militärzeitschriften und sozialdemokratische Blätter. Carl nahm an, daß sich daran ein paar Wochen lang nichts ändern würde.
    Von Zeit zu Zeit gingen Beamte vorbei, einige grüßten, als wären sie mit ihm bekannt.
    Er wollte sich überraschen lassen von dem, was da kommen würde, obwohl er annahm, daß es mit der Operation Dragon Fire zu tun hatte. Das war wohl am wahrscheinlichsten.
    Allerdings hätte es Sams Rolle oder die des Oberbefehlshabers sein müssen, sich zum Rektor rufen und anschnauzen zu lassen. Carl selbst hatte doch nur die praktischen Dinge zu regeln, wofür er dankbar war. Es war schließlich nicht einfach, den Verteidigungsminister aufzusuchen und zu sagen, guten Tag, wir sind vom Nachrichtendienst. Es geht um einen Schmuggel von Atomwaffen, und wir haben uns gedacht…
    Das war nicht sein Bier. Es fiel nicht in seinen Verantwortungsbereich. Andererseits war es unleugbar der Verteidigungsminister, der darüber zu entscheiden hatte, wer was verantworten sollte.
    Doch wenn es jetzt um etwas anderes ging als die Operation Dragon Fire? Worum konnte es sich dann handeln? Das spielt keine Rolle, redete er sich von neuem ein, da ich erstens nur zu gehorchen habe und es mich zweitens nicht sonderlich hart trifft, wenn sie mich feuern, wie die Verlierer der Wahl versprochen haben. Der Verteidigungsminister war ein relativ junger Politiker der Rechten. Manche nannten ihn verächtlich einen Witzbold, andere einen netten Kerl. Carl selbst hatte dazu keine Meinung. Das ging ihn genausowenig an wie etwa die Frage, wer die Nachrichten des Fernsehens moderierte. Aus irgendeinem Grund kam es ihm vor, als wäre das in etwa das gleiche, vielleicht weil er wieder seine Uniform trug. Sam hatte ihn ausdrücklich angewiesen, Uniform zu tragen, und überdies schien die Situation Sam ziemlich zu amüsieren, was ja nicht dafür sprach, daß der Rektor Carl einen blauen Brief mit nach Hause geben würde.
    Eine dunkle und recht ansehnliche Sekretärin tauchte in der mächtigen Eichentür auf und teilte mit, der Verteidigungsminister sei jetzt bereit.
    Carl holte tief Luft, klemmte sich die Schirmmütze auf amerikanische Manier unter die linke Achselhöhle und folgte der Sekretärin mit entschlossenen Schritten durch ein kleineres Zimmer, das ihr Arbeitszimmer sein mochte, und betrat dann einen sehr großen Raum mit Marmorsäulen, getäfelten Wänden, einem echten Perserteppich und einer Sitzgruppe à la Chesterfield, was Carl zumindest nicht erwartet hatte; der Geschmack kam ihm etwas billig vor. Es roch ein wenig nach Gebrauchtwagenhändler.
    Der Verteidigungsminister stand mitten im Raum und schien außerordentlich guter Laune zu sein.
    »Es ist mir wirklich eine Freude, Sie so schnell empfangen zu können, Fregattenkapitän Hamilton«, begrüßte er Carl und gab ihm die Hand – einen Moment zu lange –, zeigte dann auf das Chesterfield-Sofa, auf dem sich Carl leicht mißtrauisch niederließ. Der Verteidigungsminister sank in einen der üppigen Sessel und schlug die Beine übereinander. Er machte auf Carl einen jungenhaften Eindruck, obwohl er zehn Jahre älter sein mußte.
    »Eigentlich hätte dies eine meiner ersten Amtshandlungen in dem neuen Job sein müssen«, fuhr der

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