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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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wandern?«
    »Schon möglich«, erwiderte Åke Stålhandske mechanisch. Dann schien er die Frage noch einmal zu hören und sah Carl verblüfft an.
    »Unsere Dienstvorschriften beim Nachrichtendienst sind bekanntlich genauso flexibel wie ich selbst«, sagte Carl mit der Andeutung eines Lächelns. Ihm fiel ein, was er Luigi vor einer halben Stunde gesagt hatte. »Und jetzt habe ich dir einen Vorschlag zu machen.«
    Er schlug etwas vor, was in höchstem Maße gegen die geltenden Vorschriften verstieß, ob flexibel oder nicht, nämlich daß Åke Stålhandske erstens erzählen solle, wer er sei, womit er arbeite, ja, selbstverständlich ohne in Details zu schwelgen. Jetzt gehe es darum, erwartete Flüchtlinge oder vergleichbare Personen in Empfang zu nehmen. Das Grenzgebiet müsse erkundet werden, und die Streitkräfte seien so freundlich, die Reise für beide zu bezahlen. Es sei so etwas wie ein Winterurlaub im hohen Norden.
    Åke Stålhandske zeigte zunächst keine Reaktion auf den unkonventionellen Vorschlag. Carl fragte sich, ob sein Ansinnen die Deutung zuließ, er wollte diese Anna einer Gefahr aussetzen; er fand aber keinen vernünftigen Grund für eine solche Annahme. Solange die beiden sich auf dem Territorium des Nachbarlandes wie Bergwanderer und schwedische Touristen verhielten, konnte nichts passieren. Immerhin kam einer der beiden aus Finnland.
    Åke Stålhandske stützte das Kinn auf eine Faust und dachte stumm nach. Dann wandte er sich zu Carl und sagte mit fast ausdruckslosem Gesicht, er habe gehört, Finnisch-Lappland sei im September unglaublich schön und einladend.
    »Ich würde Anna gern kennenlernen«, sagte Carl spontan.
    »Vielleicht könnt ihr übers Wochenende zu uns kommen. Wir haben draußen auf den Mälarinseln ein Haus gekauft.«
    Åke Stålhandske sah auf, als wäre er mit den Gedanken weit weg gewesen, und starrte Carl verblüfft an.
    »Ja, vorausgesetzt, deine Erklärungen finden eine freundliche Aufnahme. Ich meine, wenn du erklärst, wer du bist und all das«, sagte Carl begütigend. »Wenn wir deine künftige Frau in die Familie aufnehmen wollen, sollten wir es lieber gleich richtig tun. Ich meine, dann fällt es ihr und Tessie vielleicht leichter, sich von gewissen Abstraktionen zu verabschieden.«
    »Abstraktionen?« sagte Stålhandske, der ein einziges Fragezeichen war.
    »Also, ich meine«, fuhr Carl verlegen fort, »ich meine, sie sind nicht die einzigen Frauen, wenn ich so sagen darf.«
    »Die einzigen Frauen?« fragte Åke Stålhandske, ohne seinen Gesichtsausdruck auch nur im mindesten zu ändern.
    »Ja, ich meine, nicht die einzigen Frauen von Leuten wie uns«, sagte Carl und errötete. Er hatte jedenfalls das Gefühl zu erröten.
    Åke Stålhandske lachte kurz auf, erhob sich und ging zur Tür.
    »Ich gebe dir heute abend telefonisch Bescheid, da die Nachricht sich privat formulieren läßt«, sagte er und verließ den Raum.
    Der Rest von Carls Arbeitstag bestand aus mechanischer Büroarbeit. Erst ging es darum, schriftliche Wünsche bezüglich technischer Amtshilfe an die Stockholmer Vertretung der CIA zu richten. Es war wichtig, die Wünsche rechtzeitig anzumelden, denn die Bürokratie des amerikanischen Nachrichtendienstes würde sich nicht ohne weiteres willfährig zeigen. Vermutlich hatte die CIA nichts mit geheimem Satellitenmaterial von den sowjetischen Grenzen und Einflugprogrammen für Tomahawk-Marschflugkörper im Norden der Sowjetunion zu tun. Er vermutete, daß die CIA sich wiederum an die Defence Intelligence Agency wenden mußte, um Computer-Programme der Flugrouten zu erhalten, ferner an die National Security Agency, die über Satellitenkarten sowjetischer Militäranlagen verfügte; vielleicht war es aber auch genau umgekehrt.
    Die Amerikaner brauchten zunächst ein Ersuchen von dritter Seite, und dieses mußte formuliert werden. Die Wünsche mußten konkret sein, ebenso die Begründungen. Doch das erschien Carl im Augenblick nicht sehr passend.
    Begründung: Um die Operation wunschgemäß auf die bestmögliche und sicherste Weise durchzuführen.
    Das sah mager aus. Texas Slim hatte keinen Codenamen für die Operation angegeben, obwohl die Amerikaner für derlei sonst sehr zu haben waren. Folglich konnte das Unternehmen auch von schwedischer Seite getauft werden, am liebsten mit einer Bezeichnung, die sich amerikanisch anhörte. Carl gluckste leise vor sich hin, schüttelte den Kopf und schrieb »Operation Dragon Fire«.
    Das war zumindest ein Hinweis darauf,

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