Niemandsland
der Maschine in ein Handgemenge geraten, oder vielleicht habe er einem Handgemenge im Weg gestanden, jedenfalls habe jemand im Scherz – zumindest im nachhinein fasse er es als Scherz auf – den Versuch gemacht, ihm die festgekettete Tasche wegzunehmen. Ein Mitpassagier habe wirr auf ihn eingeredet und gemeint, er wolle Pariser in die eine Richtung und Ikonen in die andere Richtung schmuggeln. Das sei gerade in dem Moment äußerst unangenehm gewesen, da er Anlaß gehabt habe zu befürchten, daß jemand den Brief in der Tasche unter dem Deckmantel der Betrunkenheit habe an sich bringen wollen – Eero Grönroos sprach ein wenig salbungsvoll, ob nun aus Nervosität oder psychischer Erschöpfung –, doch rückblickend gebe es keinen Anlaß, die Sache anders zu beurteilen, als daß es sich um eine unglückliche parodistische Äußerung des finnischen Nationalcharakters gehandelt habe.
Der Präsident verzog leicht den Mund, nickte und streckte demonstrativ die Hand aus. Er bekam die schwarze Aktentasche auf den Schreibtisch und befreite Eero Grönroos schnell von der anscheinend sehr schweren Bürde.
Die Aktentasche enthielt einen Umschlag vom gleichen Typ wie beim letzten Mal. Auf der Rückseite fand sich das sowjetische Staatswappen in weißem Reliefdruck.
»Ich danke Ihnen nochmals, Herr Ministerialrat, Sie sind sich der großen Bedeutung Ihres Auftrags sicher bewußt, und ich bedaure die Unannehmlichkeiten, denen unsere Landsleute uns aussetzen«, sagte der Präsident freundlich und reichte ihm die Hand zum Abschied.
Eero Grönroos sah vernichtet aus, als er dem Kanzleichef an der Tür begegnete. Der Präsident schüttelte lächelnd den Kopf, murmelte etwas über Saufköpfe und öffnete den Umschlag. Wie beim letzten Mal fand er darin ein russisches Original und eine englische Übersetzung. Beide waren von Gorbatschows Hand unterschrieben. Mauno Koivisto holte tief Luft, bevor er zu lesen begann.
Hochgeehrter Herr Präsident!
Nach den Schwierigkeiten, die sowohl ich selbst als auch mein Land vor kurzem zu überstehen hatten, habe ich die schwere Pflicht, in dieser für unsere Welt und unsere gemeinsame Sicherheit entscheidenden Frage eilig dort wieder anzuknüpfen, wo wir beim letzten Mal stehengeblieben waren. Die weitere Durchdringung dieser Frage ist durch die Versuche bestimmter Kreise vorübergehend verzögert worden, unser Streben nach Demokratie zunichte zu machen. Diese Kreise haben sich nicht einmal gescheut, dem Präsidenten des Landes Gewalt anzutun. In meiner vollen Kompetenz als legaler Präsident der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken wende ich mich jetzt erneut an Sie. Ich halte es für notwendig, das zu betonen, da es bei meiner letzten Begegnung mit Präsident Bush zu einem nicht unerheblichen Teil um die Frage ging, inwieweit ich noch volle Befugnisse habe oder nicht.
Ich möchte betonen, daß das der Fall ist.
Um so unsere Diskussion dort wieder aufzunehmen, wo sie unterbrochen worden ist, habe ich zunächst die Pflicht, Ihnen mitzuteilen, daß es zu einigen Komplikationen gekommen ist. Es hat sich herausgestellt, daß bestimmte Kreise innerhalb des Organs, dessen Aufgabe es ist, für die Sicherheit der Sowjetunion zu sorgen, nicht davor zurückgeschreckt sind, den legalen Präsidenten des Landes abzuhören und ihn auszuspähen. Natürlich sind bestimmte Maßnahmen ergriffen worden; das Organ, das früher unter der Bezeichnung KGB bekannt war, ist jetzt aufgelöst. Wir, darunter der Präsident der Russischen Föderativen Republik und ich selbst, führen die notwendigen Veränderungen durch.
Offen gestanden, Herr Präsident, gibt es gute Gründe für die Annahme, daß die Verschwörer, die es für richtig gehalten haben, die Karte »Kernwaffen des Sowjetstaats« zu spielen, auch in der Organisation mit dem früheren Namen KGB zu finden sind.
Wenn die Möglichkeit bestünde, mit einem einzigen Schlag alle Verschwörer in dieser Angelegenheit zu vernichten, würde ich natürlich nicht zögern, mich sämtlicher Instrumente zu bedienen, die unsere Verfassung dem legalen Präsidenten des Landes zugesteht. Ein solcher Versuch kann jedoch nur in der absoluten Gewißheit eines hundertprozentigen Erfolgs unternommen werden. Dabei besteht das Risiko, daß wir uns aller Möglichkeiten berauben, die Diebe auf frischer Tat zu ertappen. Sie würden Gelegenheit erhalten, ihre Pläne zu ändern und uns mit etwas zu überraschen, worauf wir nicht vorbereitet wären. Im Hinblick auf den
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