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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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jemanden, der dir deine Zehennägel schneidet, selbstverständlich auch eine Friseuse, die spanisch spricht, denn in diesem Nobelschuppen sprechen sie englisch, deutsch, französisch, spanisch, italienisch und polnisch.«
    »Hast du gefragt?«
    »Nein, aber in den Broschüren auf dem Schreibtisch da drüben in dem anderen Zimmer gelesen. Du weißt schon, meine angeborene Neugier.«
    »Na schön, dann machen wir es so. Aber was war die Pointe mit Ava Gardner und den Rubinen?«
    »Ich habe dieses Bild nie vergessen. Wie ich schon sagte, es ist das einzige, woran ich mich aus diesem Film erinnere. Eines Tages setzte ich mir in den Kopf, eine solche Kette auch in Wirklichkeit zu sehen, und jetzt sind wir hier. Wir bestimmen über unser eigenes Leben. Von jetzt an tun wir genau das, was wir wollen. Wir reisen dorthin, wohin wir reisen wollen, und nicht dorthin, wo ein anderer uns hinhaben will. Übrigens muß ich nächste Woche nach San Diego. Hast du Lust mitzukommen?«
    »Eine dienstliche Angelegenheit?«
    »Mmh.«
    »Wir reisen dorthin, wohin wir reisen wollen, sofern es nicht dienstlich ist, dann reisen wir nämlich dorthin, wohin der Boß uns befiehlt«, lachte sie.
    »Ach was!« sagte er. »Es ist nur eine Routinedienstfahrt, nichts Besonderes. Ich muß nach Ridgecrest hinauf und mir etwas Material ansehen. Aber hast du nicht Lust mitzukommen?«
    »Und wieder dienstfrei zu verlangen? Sie haben schon über diesen Freitag gejammert.«
    »Das lag nur daran, daß du nicht gesagt hast, worum es geht. Ich möchte aber den amerikanischen Chef sehen, der nein sagt, wenn du erklärst, daß es um kurze Flitterwochen geht und daß du frisch verheiratet bist.«
    »Du hast den IBM-Chef für Skandinavien noch nicht gesehen, Mr. President. Vor ihm sind wir alle nichts als ›die Besatzung‹ oder bestenfalls ›das Personal‹. Es wird also nicht ganz leicht sein.«
    »Wollen wir wetten?«
    »Nein. Du hast dir wieder irgendeinen Trick ausgedacht. Wie denn?«
    »Ich rufe ihn an, stelle mich höflich vor und beantrage ehrerbietig eine Woche dienstfrei für Frau Hamilton, da wir frisch verheiratet sind.«
    Tessie prustete los.
    »Ich gebe mich geschlagen, ich gebe mich geschlagen«, kicherte sie. »Ja, er ist schon ein richtiger Amerikaner und Präsident, wenn aber Sir Lancelot of the Lake anruft, wird er wohl vor Ehrfurcht auf die Knie fallen. Du bist manchmal ein Zyniker, weißt du das?«
    »Nein, ich bin nur praktisch. Also San Diego?«
    »Gern«, sagte sie, »aber jetzt muß ich schlafen, damit ich morgen wie eine schöne Kanakin aussehe, und zwar ausstaffiert wie ein Fritiof Andersson , der Tango tanzen möchte. Du siehst, ich habe schon eine ganze Menge gelernt, nicht wahr?«
    Sie sprang geschmeidig aus dem Bett und drehte eine Runde um das weiße Kostüm, das an einem Gestell mitten im Zimmer hing.
    »Wo hast du das alles bloß gelernt, du Kanakin«, rief er hinter ihr her, als sie im Badezimmer verschwand.
    »Bei den Schwedischkursen für Ausländer!« rief sie zurück.
    »Die meisten von uns sind ja Kanaken, und Evert Taube gehört zur Landeskunde.«
    »Kanakin«, murmelte er lächelnd vor sich hin, »aus der Chicano-Mexikanerin ist eine Kanakin geworden.«
    Tessie sang mit voller Lautstärke ein Lied, so daß es in dem gewaltigen Badezimmer widerhallte.
    Er schloß kurz die Augen, spürte aber, daß er gleich einschlafen würde. So krabbelte er aus dem Bett, räumte die Gläser zur Seite und ging zu ihr ins Bad.
    Sie schliefen lange, da sie nicht zeitig aus dem Bett mußten. Sie sollten erst um drei Uhr nachmittags in der Botschaft sein.
    Auf dem Balkon war eine Infrarotheizung eingebaut. Und zu dem späten Frühstück konnten sie in ihren flauschigen Morgenmänteln dasitzen, die sie im Kleiderschrank des Badezimmers gefunden hatten. Auf der Innenseite weiches Frottee, außen Seide mit japanischen Schriftzeichen. Das Hotelzimmer lag im zwanzigsten Stock. Sie hatten eine Aussicht auf den Eiffelturm in weiter Ferne, und in der Nähe sahen sie einen großen Park in flammenden Herbstfarben und die Seine.
    Sie wollte auch den anderen Ring sehen, aber er schüttelte halsstarrig den Kopf. Den durfte sie erst sehen, wenn sie verheiratet war, und bis dahin waren es noch mehrere Stunden.
    Sie hielt den »Verlobungsring« in das Sonnenlicht, den Ring, den sie an der Place Vendôme anprobiert hatte, während er den zweiten Ring allein gekauft hatte. Sie bewegte die Hand hin und her, ganz langsam, im Sonnenschein, so daß in alle

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