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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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politischen Schwierigkeiten zu tun«, sagte der schwedische Verteidigungsminister vorsichtig. »Ich meine beispielsweise, daß man sich bei der russischen Seite rückversichern sollte. Aber soviel ich weiß, haben Sie, Herr Präsident, in dieser Sache schon Kontakte mit der russischen Seite gehabt?«
    Wieder eine Frage, die so einfach klang, daß man den Eindruck hatte, sie sei ebenso selbstverständlich wie leicht zu beantworten. Die einfache Antwort lautete kurz und gut: ja.
    »Nun ja«, sagte Mauno Koivisto. »In unseren Tagen fragt man sich aber, wer oder was Rußland ist. Ich habe mit dem sowjetischen Präsidenten Kontakt gehabt, soviel kann ich sagen. Er ist, wie Sie vielleicht schon wissen, voller Hoffnung. Er ist der Meinung, wir sollten diese Sache durchführen.«
    »Aber das Problem ist, ob er Präsident ist oder nicht?« fragte Anders Lönnh fast ungeduldig. Wie sehr die beiden Männer sich an Tempo und Temperament unterschieden, wurde im Lauf des Gesprächs immer greifbarer.
    »Ja«, erwiderte der finnische Präsident lakonisch.
    »Haben Sie Kontakt mit Boris Jelzin gehabt?« fragte Anders Lönnh schnell und fast vorlaut.
    »Ich habe darüber nachgedacht. Ich habe Gorbatschow gebeten, sich in dieser Sache auf geeignete Weise mit Boris Jelzin ins Benehmen zu setzen. Er scheint jedoch nicht interessiert zu sein.«
    »Boris Jelzin?«
    »Nein, Gorbatschow. Er scheint nicht daran interessiert zu sein, die Sache mit Jelzin zu besprechen. Ich weiß nicht, warum. Aber es macht mir Kummer.«
    »Ja, das kann einem wirklich Kummer machen«, stellte Anders Lönnh fest.
    »Nun«, sagte der finnische Präsident, erhob sich schwer und reichte dem Schweden demonstrativ die Hand zum Abschied.
    »Wir wollen hoffen, daß es gutgeht. Wir sollten in der nächsten Zeit Verbindung halten.«
    Als Anders Lönnh die Kanzlei durchquerte, um zu seiner wartenden Delegation zu stoßen, war er sich nicht sicher, ob es ein gutes Treffen gewesen war oder nicht.
    Gut war natürlich, daß er überhaupt mit Koivisto gesprochen hatte, denn immerhin waren sie in Stockholm zu der Erkenntnis gelangt, daß kein anderer Weg gangbar war. Es war gut, die Bestätigung erhalten zu haben, daß es zwischen Koivisto und Gorbatschow tatsächlich eine Kommunikation in dieser Angelegenheit gegeben hatte. Das schloß alle konspirativen Überlegungen in der Richtung aus, das Ganze könnte ein amerikanischer Einfall oder zumindest ein rein amerikanischer Plan sein.
    Besorgniserregend war jedoch die Bedeutung, die Koivisto Boris Jelzin beimaß. Sollte man es dann nicht auch von schwedischer Seite tun? Und wer würde in ein paar Monaten eigentlich Führer der Sowjetunion sein, Jelzin oder Gorbatschow, der sein Land schon jetzt so führte, falls er es überhaupt noch tat, als geschähe es von Boris Jelzins Gnaden.
    Und dann wieder diese Geschichte mit dem Baby auf dem Schoß. Hatte Koivisto nicht ein kleines, kaum wahrnehmbares Zeichen von Erleichterung gezeigt, als könnte er sich aus der Affäre ziehen, wenn er den Ball an die schon beteiligten Schweden weitergab?
    In diesem Fall kam es nur auf eines an – wenn es ernst wurde, durfte es keinen Fehlschlag geben.
    Es fiel Carl außerordentlich schwer, seinen erfundenen Arbeitstag in Moskau ernstzunehmen. Die Absurditäten häuften sich derart, daß es in bestimmten Situationen nicht mehr möglich war zu entscheiden, ob das, was er erlebte, ungeheuer komisch oder ein Anzeichen eines gewaltsamen und totalen Untergangs war.
    Er fand sich am frühen Morgen mit seinem mürrischen Begleiter Oberst Nikita Duchanin in der PR-Abteilung des KGB ein.
    Alle feierlichen und ernsten Gefühle, die damit zusammenhingen, daß er endlich die Burg des historischen Feindes kennenlernte, legten sich sehr schnell. Sie betraten das Gebäude durch den untersten linken Eingang des alten Hauptquartiers, von dem aus man den Felix-Dserschinskij-Platz übersah, der jetzt in Ljubljanka-Platz umgetauft worden war. Die schwere Tür war aus heller Eiche, die von Tausenden von Händen blankpolierte Klinke aus massiver Bronze. Hinter der Tür standen zwei uniformierte Wachposten in einem kleinen Vorraum, der ganz mit weißem Marmor ausgekleidet war. Man kontrollierte ihre Papiere und verwies sie dann an den Fahrstuhl. Carl merkte, daß sie in den dritten Stock sollten, in dem früher die höchste Führung untergebracht gewesen war.
    Als der Fahrstuhl hielt, gingen sie zehn Meter nach links und blieben in einer Erweiterung des Korridors stehen,

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