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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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konnte.
    Das Gespräch war inzwischen zu anderen Themen übergegangen, die nur indirekt etwas mit Jagdflugzeugen zu tun hatten, vor allem der außenpolitischen Lage, die dem finnischen Präsidenten jetzt etwas Kummer machte. Das finnische Fernsehen war in die russischen Teile Kareliens gefahren und hatte hier und da zahlreiche Menschen nach ihren Ansichten gefragt. Vor allem in Viborg versicherten viele, sie wollten lieber zu Finnland als zu Rußland gehören. Und damit, daß das finnische Fernsehen die Sache aufgegriffen hatte, war es auf beiden Seiten der Grenze zu einem Diskussionsthema geworden.
    Die Teile Finnlands, die nach dem Zweiten Weltkrieg an die Sowjetunion hatten abgetreten werden müssen, waren natürlich »historisch finnisch«, und selbstverständlich ließ sich vorstellen, daß auch Teile der russischen Bevölkerung dort Visionen von einem augenblicklichen Reichtum hatten, wenn sie statt Russen Finnen würden.
    Es war jedoch eine unangenehme politische Frage, und der Präsident wollte nicht einmal andeutungsweise – auch schwedischen Besuchern gegenüber nicht – eine andere Auffassung äußern als die, daß die Friedensvereinbarungen, die einmal geschlossen worden waren, immer noch Gültigkeit hatten. Das Schlimmste, was passieren konnte, wäre ein Verbreitung des Mißverständnisses, Finnland wolle die Gelegenheit nutzen und aus dem verwundeten russischen Körper ein Stück Fleisch herausreißen. Unter anderem wußte man ja nicht, welche großrussischen Nationalisten den nächsten Staatsstreich inszenierten.
    Die Unsicherheit der außenpolitischen Lage, sowohl im Augenblick wie auf etwas längere Sicht, machte die Frage von Jagdflugzeugen für Finnland jedoch bedeutend interessanter als für andere Länder. Auch wenn die westliche Welt sich darin einig war, daß die Russen nett und friedlich geworden waren und keine Pläne für einen plötzlichen und überraschenden Überfall hegten, waren Länder wie Schweden und Finnland trotzdem denkbare Parteien verschiedener Konflikte in dieser Weltregion: Estland wird von Truppen aus Moskau überfallen, Flüchtlinge retten sich über den finnischen Meerbusen nach Finnland und über die Ostsee nach Schweden, die Revolte breitet sich im übrigen Baltikum aus und führt zu etwa den gleichen Konsequenzen; sowohl die Flüchtlinge wie das eigene Territorium müssen entschlossen geschützt werden, falls nötig, mit Gewalt.
    Doch auch das waren keine völlig neuen Aspekte der skandinavischen Verteidigungsdiskussion. Das Treffen sackte aus Mangel an neuem Brennstoff immer mehr in sich zusammen. Der Präsident entschied sich am Ende ganz einfach dafür, die Zeit abzukürzen, indem er sich erhob.
    Als die schwedische Delegation sich etwas verdutzt trollte, trat Verteidigungsminister Anders Lönnh vor und bat in einer sehr wichtigen Angelegenheit um ein Gespräch unter vier Augen.
    Mauno Koivisto hatte den Verdacht, daß die angeblich wichtige Angelegenheit in Wahrheit die gleiche war, die man soeben durchgehechelt hatte. Er nickte säuerlich und blieb mitten im Zimmer stehen, um zu dokumentieren, daß es nur noch ein kurzes Treffen werden dürfe. Er bereute dies, als er sah, wie verlegen der schwedische Minister wurde.
    Und einige Sekunden später bekam er Anlaß, sein Verhalten noch mehr zu bereuen.
    »Es geht um eine sehr ernste Frage«, begann der Schwede rundheraus. »Die amerikanische Regierung hat nämlich in der Frage eines geplanten Kernwaffenschmuggels auch mit uns Kontakt aufgenommen.«
    Der Schwede verstummte, um die Reaktion abzuwarten. Mauno Koivisto sah fast schüchtern zu Boden, nickte dann nachdenklich und zeigte mit einer Handbewegung, daß sie sich setzen sollten. Dann ging er mit schweren Schritten zu der Sitzgruppe zurück. Unterdessen überdachte er den Inhalt dessen, was er soeben gehört hatte. Kern der Aussage war nicht die Tatsache, daß auch die Regierung des Nachbarlandes um das ungeheure Problem wußte, Kern der Sache war die Tatsache, daß die Schweden einen Anstoß aus den USA erhalten hatten, was die schlechteste nur denkbare Ausgangslage war.
    »Auf welche Weise sind die Amerikaner in diese Sache verwickelt?« fragte er, als sich beide wieder auf die gleichen Plätze gesetzt hatten wie vorhin. So saßen sie weit voneinander entfernt und hatten den Couchtisch zwischen sich.
    »Soviel ich sehe«, begann der schwedische Verteidigungsminister zögernd, da es ihm keinerlei Mühe bereitete zu erkennen, welche denkbaren Unlustgefühle eine

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