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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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ihren Vorgesetzten genehmigt worden. Wenn sie jetzt nicht mehr als 7 000 Dollar abrechneten, würden sie in Verdacht geraten, den Unterschied selbst eingesteckt zu haben.
    Carl fragte mit strengem Ernst, ob dies das einzige Problem sei. Und da er eine bejahende Antwort erhielt, riß er den Vertrag an sich, stellte entzückt fest, daß er oben in der linken Ecke tatsächlich das Emblem des KGB hatte, Komitet Gosudarstwenaja Besopastnosti , strich die Zahl 8 126 und ersetzte sie mit Tinte durch die Zahl 7 000. Dann unterzeichnete er die Veränderung mit seinem Namen am Rand, unterschrieb beide Exemplare des Vertrags, schob das Geldscheinbündel über den Tisch und nahm die beiden Wallenberg-Dokumente an sich. Im nächsten Atemzug zeigte er auf die Streichung sowie seine zweite Unterschrift und erklärte, jetzt könne niemand den Zusammenhang mißverstehen. Nach geltender kapitalistischer Ordnung habe jetzt er, die eine unterzeichnende Partei, die Veränderung hingeschrieben und nicht die Genossen vom KGB.
    »Der Kapitalismus ist hart«, seufzte der Fregattenkapitän/ Verkäufer und raffte das Bündel speckiger Hundert-Dollar-Scheine an sich.
    »Das hier ist nur der Anfang, wartet nur ab, Genossen«, schmunzelte Carl und schob die beiden Wallenberg-Dokumente und den geänderten Vertrag in seine Aktentasche.
    Er hatte gedacht, sie könnten in seinem alten Lieblingshotel National essen, obwohl er ein wenig Furcht davor spürte, Irina könnte dort abends immer noch spielen; allerdings war sie inzwischen ja Konzertpianistin und dürfte es wohl nicht mehr nötig haben, sich so ihr Geld zu verdienen. Außerdem war sie vielleicht schon längst im Ausland.
    Das National wurde jedoch gerade saniert und umgebaut, sicher nicht einen Tag zu früh. Das gesamte Gebäude war mit grünen Kunststoffplanen abgedeckt, mit Baugerüsten und rotweißen Schildern, auf denen stand, welches deutsche Bauunternehmen das Vorhaben leite.
    Hingegen war die Renovierung des Hotels Metropol beendet. Während Carls gesamter Zeit in Moskau war das Metropol mit grünen Planen abgedeckt und wegen remont geschlossen gewesen.
    Nikita Sergejewitsch – er hatte tatsächlich diesen Vatersnamen, genau wie Chruschtschow – fühlte sich vor dem Hotel Metropol sichtlich unbehaglich, und nicht einmal Carls Scherz, es sei immerhin Lenins altes Lieblingslokal, hellte ihn auf. Nikita Sergejewitsch erhob Einwände, man müsse bestellen, man brauche Devisen, hier komme einfach nicht jeder rein, nicht mal als KGB-Angehöriger, schon gar nicht, wenn man beim heutigen KGB arbeite.
    Carl tat die Einwände mit einer Handbewegung ab und erhielt mit Hilfe einiger Dollarscheine einen ganz ausgezeichneten Tisch.
    Sie befanden sich in einem riesigen, großartigen Speisesaal, in dem Gold und Rot die vorherrschenden Farben waren. Weiße Tischtücher, perfekte Bedienung in schwarzen Jacketts und frischgebügelten weißen westlichen Hemden. Im Saal saßen nur wenige westliche Geschäftsleute, und im Hintergrund ertönte klassische Klaviermusik.
    Carl betrachtete seinen Kollegen, als sie sich setzten. Dieser hatte eine kleine Stupsnase in einem sehr breiten Gesicht. Er sah tatsächlich wie die Parodie eines Russen aus. Er trug unter dem Jackett einen dünnen Pullover mit V-Ausschnitt und einen abgenutzten Gürtel; im Hosenschlitz fehlten ein paar Knöpfe, so daß zwischen Hosenbund und Gürtel ein Stück Unterhemd hervorlugte.
    »Genosse Oberst«, sagte Carl ernst, während er die Speisekarte überflog, »keiner von uns beiden wünscht dieses System. Jetzt meine ich es wirklich ernst. Aber das System ist da und läuft darauf hinaus, daß ich ein oder zweihundert deiner Jahresgehälter als Wechselgeld bei mir habe, und ich weiß nicht wie viele tausend deiner Jahresgehälter auf meinen kleinen Kunststoffkarten. Ich sage dies nicht, Genosse Oberst und Kollege, um hochmütig zu sein. Es ist einfach nur so. Es ist nicht gerecht und nicht vernünftig, und, wie du sagst, vielleicht sogar gefährlich. Aber es ist nun mal so. Darum laß uns jetzt ohne saure Mienen ein gutes Essen zu uns nehmen.«
    Sein Genosse Kollege dachte eine Weile mit mahlenden Kiefern nach. Dann heiterte sich sein Gesicht fast wider Willen auf.
    »Na schön«, sagte er. »Ich bin gar nicht so dämlich, wie du glaubst. Ich habe immerhin in New York spioniert, ohne mich schnappen zu lassen. Ich möchte aber vorschlagen, daß du damit aufhörst, mich Genosse Oberst zu nennen; und diese Albernheiten, mich mit Namen und

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