Niemandsland
vorhergehenden Funkkontakt zur verabredeten Zeit treffen. Die Übung ging in dem Moment zu Ende, wenn Gebirgsjägerverbände sie zum Weitertransport abholten und zunächst nach Arvidsjaur, der Luftbasis F 21 Luleå und dann nach Hause zur Ausgangsbasis brachten.
Und dann was? Alles war eingeübt, das gesamte Material getestet, jetzt sogar unter sehr schwierigen Verhältnissen.
Die Gruppe war, zum Teil aus unerfindlichen Gründen, kleiner geworden. Ein Mann war nach einem Test in der Unterdruckkammer in Linköping ausgemustert worden. Das hatte jedenfalls irgendeinen medizinischen und verständlichen Grund. Aber Matti Heiskanen? Luigi mochte Matti Heiskanen. Er war ein Draufgänger und fast so etwas wie die Parodie eines Finnen. Er spielte Eishockey in der zweiten Liga und sprach ein Schwedisch mit hörbarem finnischen Akzent. Luigi war davon ausgegangen, daß gerade er zu denen gehören würde, die als letzte übrigblieben. Konnte es etwas damit zu tun haben, daß er Finne war oder finnisch sprach? Vielleicht hatte man ihn gar nicht ausgemustert, sondern nur in einen vollkommen anderen Teil des Vorhabens eingebaut.
Noch ein Mann war verschwunden, ohne daß klargeworden wäre, weshalb. Konnte es daran liegen, daß er vier Kinder hatte?
Ja, natürlich. Es mußte sich also doch um die Vorbereitung einer Operation mit tatsächlichen Verlustrisiken handeln. Luigi spürte, daß die drei anderen im Zelt wohl darauf eingestellt waren. Keiner hatte versucht, ihm Informationen zu entlocken. Es hätte gar nichts genützt, da er nicht sehr viel wußte, aber es hatte auch keiner den Versuch gemacht.
Es hörte sich an, als würde der Sturm da draußen an Kraft ein wenig nachlassen, aber das konnte auch daran liegen, daß nur die Geräusche leiser wurden, weil sich inzwischen um das weiße Keron-Zelt hohe Schneeverwehungen gebildet hatten. Eins stand jedenfalls fest: Unter diesen Verhältnissen würde sie keine Infrarotkamera der Welt entdecken, falls es die Piloten überhaupt schafften, bei diesem Wetter so tief zu fliegen.
Luigi versuche, erneut einzuschlafen und zog den Reißverschluß hoch, bis der flauschige Daunenschlafsack dicht schloß. In den nächsten Stunden schlief er oder befand sich in dem Grenzbereich zwischen Schlaf und unbestimmbarer Unruhe. Niemand hätte sagen können, was zutraf.
Kolja Mordawin trat im Central-Warenhaus in Murmansk wie ein König auf. Es war eine Sendung mit chinesischen Polarjacken und dazugehörigen wattierten Hosen eingetroffen, und er kaufte je ein Dutzend davon. In der Brusttasche hatte er ein dickes Bündel frischer, sauberer 100-Rubel-Scheine. Er bat darum, ihm die Waren nach Hause zu schicken, da Mike Hawkins, sein amerikanischer Chef, ihm beigebracht hatte, daß man es so machen müsse. Zunächst bekam er nur saures Kopfschütteln zur Antwort und ein paar unfreundliche Bemerkungen über Spekulantenmanieren. Dann schälte er einen, überlegte es sich, zwei Hundert-Rubel-Scheine ab und wedelte verärgert damit herum. Die alte Dame kämpfte einen sehr kurzen Kampf mit sich selbst, bis sie akzeptierte. Sie versprach, die Waren persönlich zu verpacken und sie zum Büro von N & M auf der anderen Seite der Bucht zu transportieren. Das sei allerdings erst nach der Arbeit möglich.
Er überquerte den großen Platz zum Hotel Arktika und sah sich selbst als Einkaufschef. Mike Hawkins hatte gesagt, er sei nicht nur stellvertretender Expeditionsleiter, sondern solle auch Einkaufschef des Vorhabens sein. Das sei ein sehr verantwortungsvoller Job, den man nicht jedem überlassen könne.
Am wichtigsten war es, das Gewicht des Proviants zu berechnen. Zwei der Schlitten wogen schon so mehr als fünfhundert Kilo, und Proviant für zwölf Mann und fast dreißig Tage würden zusammen mit den Zelten aus dem Westen und einigen anderen Ausrüstungsgegenständen leicht fast das gleiche Gewicht erreichen. Sie mußten jeden Tag durchschnittlich zehn Kilometer bewältigen, und ihm war klar, daß das weder leicht noch angenehm werden würde. Aber angesichts der Bezahlung, die auf sie wartete – die Hälfte vorher und die Hälfte auf der anderen Seite der finnischen Grenze –, würde es wohl keinem Teilnehmer der Expedition sonderlich schwerfallen, sich anzustrengen und alles zu ertragen.
Im Nachtclub und im Restaurant des Hotels Arktika war er schon seit langem König. Er konnte jede Frau haben, die er wollte, konnte jeden bitten, sich an seinen Tisch zu setzen, wann immer er wollte, und mit der
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