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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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seinem Dolmetscher, bevor er seine Antwort formulierte. Doch als er es tat, sprach er ohne jedes Zögern wie der Politprofi, der er unleugbar war.
    »Sie sollten mit dem finnischen Präsidenten Kontakt aufnehmen, das ist meine feste Überzeugung, und ich möchte, daß Sie das Ihrem Ministerpräsidenten ausrichten. Wir sollten auf jeden Fall versuchen, uns aus dieser schwierigen Situation zu befreien, ohne daß es in unseren Beziehungen zu politischen Mißverständnissen kommt. Die Sache ist auch ohne solche Dummheiten schlimm genug. Wenn unsere Beziehungen derart geklärt sind, bleiben meiner Meinung nach nur praktische Probleme. Ich komme jetzt zu dem, was ich darunter verstehe. Um mit einer einfachen Frage anzufangen. Könnt ihr Schweden rein technisch das bewältigen, um was die Amerikaner euch offenbar gebeten haben?«
    »Ja, Herr Präsident, in diesem Punkt gibt es keinerlei Zweifel«, erwiderte Carl energisch, als die Frage übersetzt worden war.
    Gorbatschow nickte zu Carls rascher Antwort.
    »Sie empfinden in dem Punkt nicht den leisesten Zweifel?« fragte er mit einem humorvollen, fast ironischen Glitzern in den Augen.
    »Nein, Herr Präsident, das tue ich nicht. Wenn Sie entschuldigen, Herr Präsident, die Schwierigkeiten in dieser Angelegenheit sind ganz und gar nicht technischer Natur. Die technischen Fragen können wir recht leicht lösen. Die Schwierigkeiten liegen mehr auf politischem Gebiet. Es ist nämlich unbedingt erforderlich, daß jeder die Absichten der anderen Seite kennt und sie nicht mißversteht.«
    Gorbatschow lachte kurz auf, dann stellte er die nächste Frage, die sich zunächst wie eine munter improvisierte Fortsetzung seines Lachens anhörte.
    »Sie sind offenbar Diplomat gewesen, Herr Kapitän, sogar hier in Moskau, falls ich recht unterrichtet bin?«
    Gorbatschow zeigte ein unschuldiges Lächeln, als er Carl ins Gesicht sah, um die Antwort abzuwarten.
    »Das stimmt, Herr Präsident. Ich hatte für kürzere Zeit einen diplomatischen Auftrag hier in Moskau«, erwiderte Carl peinlich berührt.
    »Ja, das habe ich feststellen können, Herr Kapitän, als ich mich danach erkundigte, wer mich aufsuchen will. Einer meiner Berater hat die Gelegenheit genutzt, sich herabsetzend über Ihre diplomatischen Leistungen zu äußern.«
    »Nun«, erwiderte Carl verlegen, »ich bin natürlich nicht die richtige Person, etwas über meine diplomatischen Talente zu sagen, aber ich befürchte, sie gehören nicht zu meinen starken Seiten.«
    Als Gorbatschow die nächste Frage stellte, glaubte Carl zunächst, sich zu verhören. Er nutzte die Hilfestellung der Übersetzung, um Zeit für die Antwort zu finden.
    »Nein, aber als Sie hier waren, haben Sie die Gelegenheit genutzt, einen schwedischen Verräter hinzurichten, wenn ich es richtig sehe?«
    »Das ist eine Frage«, begann Carl, während er immer noch fieberhaft nach einer rettenden Formulierung suchte, »die mir die Journalisten meines Landes auch manchmal gestellt haben. Und denen habe ich geantwortet, wie ich jetzt auch Ihnen antworten muß, bei allem Respekt, Herr Präsident. Die Regierung meines Landes hat mir verboten, diese Frage zu beantworten.«
    Carl sah verbissen zu Boden. Das Gespräch hatte, soweit es ihn betraf, eine absurde Wendung genommen.
    Gorbatschow lachte. Er lachte tatsächlich, als er die Antwort hörte.
    »Ich glaube nicht, daß wir miteinander große Probleme haben werden«, bemerkte er, immer noch lachend. »Ich werde künftig mit dem finnischen Präsidenten Verbindung halten. Ich schlage vor, daß ihr Schweden eure Kontakte ebenfalls auf diesem Kanal weiterführt, damit Sie nicht ständig hier in Moskau Besuche machen müssen, Herr Kapitän. Inzwischen laufen nämlich schon viel zu viele Obersten in dieser Angelegenheit herum, und wir haben ja unzweifelhaft Kummer mit der Geheimhaltung.«
    »Unzweifelhaft«, erwiderte Carl kurz, nachdem er die lange Übersetzung gehört hatte. Der sowjetische Präsident war wieder sehr ernst geworden.
    »Ich glaube, Sie verstehen meinen Gedankengang, Herr Kapitän«, fuhr Gorbatschow fort. »Wir haben ein gemeinsames Sicherheitsinteresse und eine gemeinsame Verantwortung. Wichtig ist also nicht, wer was tut. Wichtig ist, daß die Geheimhaltung weiter funktioniert und daß es uns gelingt, das zu stoppen, was um jeden Preis gestoppt werden muß. Haben Sie mich verstanden, Herr Kapitän?«
    »Voll und ganz, Herr Präsident!« sagte Carl.
    Der Schneesturm erreichte in den Böen eine Geschwindigkeit

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