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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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nach der Whiskeyflasche und goß sich erneut ein. »Was das getrocknete Rentierfleisch angeht, bekomme ich es morgen.«
    »Wird das nicht ein bißchen eintönig?« fragte Mike Hawkins und betrachtete nachdenklich sein Glas. Kolja bekam das Gefühl, daß sein amerikanischer Chef ihm nicht in die Augen sehen wollte.
    »Schon, aber ich habe in erster Linie an das Gewicht gedacht. Jedes Kilo, das wir mitschleppen, müssen wir ja mit Schweiß und Mühen bezahlen. Wer Schweinefleisch essen will, ich meine frisches Schweinefleisch, muß eben warten, bis wir nach Hause kommen. Dann wird es wohl ein Fest geben.«
    »Aber gewiß«, lachte Mike Hawkins leise, »dann gibt es gewiß einen Festschmaus. Wann wollt ihr zuschlagen?«
    »Im günstigsten Fall morgen nacht, wenn das Wetter danach ist. Wir wollen ja einen richtigen Schneefall haben, und der Wetterdienst sagt für vier oder fünf Tage Schneefall und Tiefdruck voraus. Es sollte also gehen.«
    »Mmh. Dann geht es los.«
    »Richtig. Dann geht es los. Wann bekommt Onkel Alexej sein Geld?«
    »Wenn ihr morgen nacht zuschlagt, bekommt er das Geld von mir direkt auf die Hand, sowie er das nächste Mal zum Dienst auf der Werft erscheint. Das dürfte wohl in vier Tagen oder so sein.«
    »Richtig. In vier Tagen, aber dann bin ich schon weit weg.« Kolja sah beinahe mißtrauisch aus, als wäre ihm der Verdacht gekommen, daß sein Onkel nicht die gleiche runde Summe erhalten würde wie alle anderen.
    Mike Hawkins war zwar ein guter Menschenkenner, und durch seinen früheren Beruf in dem damals noch tief feindlichen Territorium hatte er gelernt, Furcht und Mißtrauen schon von weitem zu wittern.
    »Jetzt hör mir noch mal zu, Kolja, ein letztes Mal«, sagte er ruhig und nippte an seinem Whiskey. »Erstens tun wir das, was wir gesagt haben. Ihr führt Etappe eins durch, greift euch die Ware, vergrabt sie so weit weg wie möglich, verwischt alle Spuren und hofft auf viel Schnee. Dann kommt ihr mit ein paar Mann zurück und holt das Geld. Erst wenn alle die Hälfte der Bezahlung erhalten haben, beginnt der eigentliche Transport. An diesem Plan ist doch nichts falsch?«
    »Nee«, sagte Kolja widerwillig, »das ist es auch nicht, jedenfalls nicht was uns betrifft. Ich habe aber an Onkel Alexej gedacht.«
    »Du bekommst sein Geld gleichzeitig. Du bist doch sicher dabei, wenn das Geld geholt wird. Außerdem bin ich der Meinung, du solltest einen der Finnen mitnehmen. Nein, lieber nicht, nimm entweder einen russischen Kameraden mit oder macht, wie ihr es selbst wollt. Die Hauptsache ist, daß jeder sein Geld bekommt, damit wir loslegen können. Wir sind jetzt kurz vor dem Ziel, Kolja, ganz kurz davor.«
    Kolja nickte nachdenklich. Das stimmte, sie waren kurz vor dem Ziel. All die schwierigen Dinge waren schon organisiert. Personal von N & M fuhr jetzt mit Dauervisa fast im Pendelverkehr zwischen Murmansk und Kirkenes hin und her, so daß die Tschekisten unten im Hafen inzwischen schon ganz wirr im Kopf sein mußten, falls sie sich überhaupt noch für Reisende aus dem Westen interessierten. Jedenfalls würden sie nicht merken, wenn jemand einen Monat wegblieb oder von der falschen Seite her ins Land kam. Der Grundgedanke war ja doch, das Stahl und Schrottprojekt zu Ende zu bringen, vielleicht noch jahrelang, nachdem das eigentliche Geschäft durchgeführt worden war. Finnische und norwegische Spezialarbeiter wohnten schon in einer kleinen Kolonie auf zwei Stockwerken des Hotels Polarnaja Murmansk, und da alle in Schichten arbeiteten und zu verschiedenen Zeiten kamen und gingen, würde man niemanden vermissen. Wie alles, was Mike plante, war auch dies ebenso einfach wie effektiv.
    »Wir haben uns gedacht… das heißt, ich hatte mir gedacht, wir sollten auch einige Waffen organisieren«, sagte Kolja nach kurzem Schweigen.
    »Das braucht ihr nicht«, entgegnete Mike Hawkins trocken.
    »Entweder ihr werdet da draußen nicht entdeckt, wozu die Chancen zehn zu eins stehen. Oder ihr werdet entdeckt, und dann helfen keine Waffen der Welt.«
    »Ja, ich weiß«, sagte Kolja verlegen, »aber so habe ich es nicht gemeint. Ich habe nur gedacht, daß es da draußen ja wilde Rentiere und Schneehühner gibt, und mit etwas Glück… ich meine, wir werden den gesalzenen Lachs nach einiger Zeit verdammt satt haben.«
    Mike Hawkins ließ ein lautes und herzliches Lachen hören.
    »Ja, das kann ich mir denken«, sagte er, »in den nächsten vier Wochen werdet ihr aber schon getrockneten oder gesalzenen Fisch

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