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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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bin. Ferner bin ich stellvertretender Leiter des militärischen schwedischen Nachrichtendienstes, und der Grund ist eine Frage äußerster Geheimhaltung«, erwiderte er in einem gleichmäßigen Wortstrom, ohne seinen Tonfall zu nuancieren.
    Er korrigierte den Dolmetscher, als er das russische Wort für »Sicherheitsdienst« hörte, und wies darauf hin, daß es »Nachrichtendienst« heißen müsse.
    Gorbatschows Gesicht hellte sich auf, offenbar nicht so sehr wegen der sachlichen Korrektur, sondern wegen Carls Empfindlichkeit.
    »Jaja, Leute wir ihr bleiben sich immer gleich. Es muß alles korrekt sein, und der Teufel soll den holen, der einen Nachrichtenmann beim Sicherheitsdienst ansiedelt. So ist es offenbar in allen Ländern.«
    Carl konnte dies dem lächelnden sowjetischen Präsidenten nur mit einem verblüfften Kopfnicken bestätigen. Ja, so sind wir nun mal.
    »Können wir uns auf russisch unterhalten? Ich bedaure, daß mein Englisch zu schlecht ist, aber mit Ihrem Russisch ist offenbar alles in Ordnung, Herr Kapitän«, sagte Gorbatschow und machte eine liebenswürdige Handbewegung.
    »Bedaure, Herr Präsident«, erwiderte Carl auf russisch. Doch dann mußte er sich den Satzbau der Fortsetzung überlegen.
    »Mein Russisch ist leider zu schlecht für… ein so ernstes Gespräch.«
    »Nun, dann sollten wir mit der Hilfe unseres Freundes Sascha zur Sache kommen«, sagte Gorbatschow schnell und gab seinem Dolmetscher ein Zeichen. »Sascha hier ist an allen Diskussionen beteiligt gewesen, die ich in dieser Angelegenheit gehabt habe. Also, was genau haben Sie erfahren, Herr Kapitän? Worum geht es?«
    »Was wir erfahren haben, macht die Angelegenheit zu unserem ernstesten Anliegen«, begann Carl behutsam. »Wir haben nämlich von einem Versuch erfahren, Kernwaffen von sowjetischem Territorium über Finnland hinauszuschmuggeln, die auf dem internationalen Markt verkauft werden sollen. Man hat uns gebeten, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen, um notfalls zu verhindern, daß das geschieht.«
    Das Lächeln verschwand blitzschnell aus Gorbatschows Gesicht, als er die Übersetzung hörte. Sein Englisch ist offenbar nicht sehr gut, dachte Carl, oder er spielt hervorragend Theater.
    Gorbatschow machte eine lange Denkpause, während er bestätigend nickte. Dann stellte er eine sehr kurze Frage.
    »Von wem haben Sie dies erfahren?«
    »Aus amerikanischen Regierungsquellen«, erwiderte Carl direkt auf russisch.
    »Also nicht aus Finnland?«
    »Njet.«
    »Weiß die finnische Regierung, daß Sie Bescheid wissen?«
    »Darauf kann ich nicht antworten, Herr Präsident.«
    »Warum haben die Amerikaner Ihnen das erzählt?«
    Carl gab dem Dolmetscher zu verstehen, daß er Hilfe brauchte, und gab sich große Mühe, sorgfältig zu formulieren. Er hatte keine Ahnung, in welche Fettnäpfchen er jetzt treten konnte, da er nicht ahnte, wer von wem wußte, daß er Bescheid wußte. Die Lösung des Problems konnte jedoch nur darin bestehen, die Wahrheit zu sagen.
    »Die Amerikaner haben… Befürchtungen geäußert«, begann er zögernd. Er hatte nach dem richtigen Wort suchen müssen, um Texas Slims Version der Lage umzuformulieren. Dieser hatte sich nur in four-letter-words geäußert. »Die Amerikaner haben Befürchtungen geäußert, der finnische Präsident könnte zögern, sich mit einem direkten Eingreifen von finnischer Seite einverstanden zu erklären. Aus diesem Grund haben die Amerikaner uns gebeten, uns sozusagen als Reserve in Bereitschaft zu halten. Dem liegt also der Gedanke zugrunde, daß wir im äußersten Notfall das tun sollen, worum Sie die Finnen gebeten haben. Meine Regierung ist zu der Entscheidung gekommen, daß das nur in Frage kommen kann, wenn wir Ihr Einverständnis haben, Herr Präsident.«
    Carl versuchte, den Gesichtsausdruck des Präsidenten zu beobachten und zu deuten, während der Dolmetscher übersetzte. Gorbatschow war nicht nur bedeutend kleinwüchsiger, als Carl es sich vorgestellt hatte, sondern sah auch ein wenig zerzaust aus, als träte er mit einem geschickt verborgenen Mangel an Selbstbewußtsein auf. Sein Blick war freundlich und sichtlich intelligent und verriet rasche Auffassungsgabe. Er wirkte jedoch auf eine etwas eigentümliche Weise zu weich für den Staatschef der ehemaligen Supermacht. Zumindest im Vergleich mit den Betonärschen früherer Zeiten. Dieser kleine, ängstliche, anständige Mann hatte also die letzte Verantwortung für 27 000 atomare Gefechtsköpfe.
    Gorbatschow beriet sich kurz mit

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