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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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sagen«, lächelte Carl geheimnisvoll. »Auf die Minute pünktlich, würde ich glauben.«
    »Auf die Minute pünktlich? Ist das nicht etwas unhöflich, sogar hier oben in dieser nordischen Barbarei?«
    »Doch, durchaus möglich. Aber nicht, wenn die Gastgeber Bescheid wissen.«
    »Warum kommen gerade diese Leute so pünktlich?«
    »Wir sind nun mal so in unserer Bruderschaft. Es steckt einfach drin. Zu früh kommen sie also auch nicht, und damit laufen wir auch nicht Gefahr, uns bei der Planung zu verhauen. Wir haben doch Rosen auf dem Tisch? Es müssen unbedingt Rosen auf dem Tisch stehen.«
    Er ging selbst ins Eßzimmer und kontrollierte, wie der Tisch gedeckt war, rückte die Rosen zurecht und schrieb Tischkarten. Dann fiel ihm etwas ein. Er ging zu Tessie in die Küche und fragte, ob sie lieber den Alten oder den höchsten Chef als Tischherrn haben wolle. Zwischen diesen beiden habe sie die Wahl.
    Sie schlug Åke vor, den sie immerhin schon kannte. Er quengelte und erklärte, das gehe nicht. Sie sei die Gastgeberin, und dann müsse es entweder der Alte sein, da er der Älteste sei, oder Samuel Ulfsson, der unter den Anwesenden den höchsten militärischen Rang habe. Er selbst müsse Frau Samuel Ulfsson zu Tisch führen.
    Sie lachte und machte sich über diese starren Regeln lustig. Er erklärte etwas diffus, das System biete Sicherheit. Irgendwie sei es ein Vorteil, immer zu wissen, wie man sich bei einem Essen zu benehmen habe. Als er so weit gekommen war, tat sie seine Erklärungen mit der Bemerkung ab, das seien doch Albernheiten, die nur Leute betreffen könnten, die auf bestimmte Weise erzogen worden seien, etwa Japaner oder Chinesen, die nach dem Essen laut rülpsen müßten.
    Er ging brummelnd wieder ins Eßzimmer und beendete die Tischordnung. Sie war im Grunde vollkommen selbstverständlich. Er und Tessie an je einem Kopfende, und alles andere ergab sich; er selbst zwischen Sams Frau und Anna, Tessie zwischen dem Alten und Åke, und folglich mußte Sam Anna zu Tisch führen. Es ist wie Rad fahren, schoß es ihm durch den Kopf. Wenn man es einmal gelernt hat, sitzt es für den Rest des Lebens. Er konnte sich nicht erinnern, in den letzten fünfzehn Jahren eine Tischordnung zusammengestellt zu haben.
    Als er wieder in die Küche kam, wollte Tessie mehr über den Unterschied zwischen den beiden Chefs wissen. Er beschrieb den Alten und Sam mit vorsichtigen Worten als so etwas wie Gegensätze. Der Alte sei fast unverschämt und frech in seiner totalen Gleichgültigkeit für Regeln, Gesetze und Verordnungen anderer Menschen. Das müsse sie aber seit der Reise nach Kivik eigentlich schon wissen. Sie werde bei Tisch sicher viel Spaß haben, versicherte er. Sie machte ein mißtrauisches Gesicht, was vermutlich immer noch auf die exotischen Rituale zurückzuführen war.
    Sam hingegen, fuhr er fort, sei leise, intelligent und nachdenklich und sage nie etwas Dummes oder Plumpes. Doch dann verlor Carl den Faden. Er spürte, daß es ihm irgendwie nicht zukam, andere Menschen zu charakterisieren. Er hatte das Gefühl, sich zum Richter über sie aufzuschwingen.
    Zehn Minuten vor sieben ging er hinaus und zündete die Partyleuchten neben der Auffahrt an. Dann ging er wieder ins Haus, wusch sich die Hände, band sich eine Krawatte um, zog ein Jackett an und trug den Champagner auf einem Tablett in das große Zimmer mit der Aussicht zum See hin. Dann trieb er Tessie zur Eile an, die immer noch dabei war, ihre kleinen mexikanischen Vorspeisen hereinzutragen.
    »Wenn sie zu kalt werden, sind sie nicht mehr zu genießen«, sagte sie vorwurfsvoll.
    »Mach dir keine Sorgen«, sagte er lächelnd und sah auf die Armbanduhr. »Unsere Gäste kommen in zwei Minuten.«
    Sie gingen auf die Treppe über dem Hauptportal und blickten in die Dunkelheit auf die Reihe brennender Leuchten in den Metalltöpfen. Carl sah auf die Armbanduhr.
    »In dreißig Sekunden«, bemerkte er, immer noch mit absoluter Sicherheit. Dort draußen waren nur die Dunkelheit und die Leuchten zu sehen.
    Zwei der Wagen kamen aus derselben Richtung, der eine recht langsam, während der zweite ihn gerade einholte. Der dritte kam aus der anderen Richtung, und alle drei bogen hintereinander in die Einfahrt ein, fuhren auf dem Kiesplatz vor und hielten. Tessie sah auf die Uhr und schüttelte ungläubig und lachend den Kopf.
    »Soll das ein Scherz sein?« fragte sie.
    »Nein«, erwiderte er. »Ich habe es doch gesagt. In dieser besonderen Bruderschaft kommt jeder

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