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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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nur unsere Verluste unnötig erhöhen.«
    Es wurde still im Raum. Carls Antwort war zwar kurz, lud aber nicht dazu ein, das Thema zu vertiefen.
    »Soso«, sagte der Verteidigungsminister, als er sein gewohntes Selbstvertrauen zurückgewonnen hatte. »Damit erhalten die Herren den Auftrag der Regierung, so schnell wie möglich Operation Dragon Fire durchzuführen. Ich wünsche euch viel Glück und möchte natürlich über alle wesentlichen Phasen der Entwicklung informiert werden.«
    Er erhob sich und gab den drei Besuchern feierlich die Hand, beginnend beim Oberbefehlshaber. Sie verbeugten sich steif voreinander, ohne noch etwas zu sagen. Dann verließen die drei den Raum, der OB als erster und Carl als letzter.
    Sie trennten sich vor dem Eingang des Ministeriums, da sie verschiedene Wagen hatten. Der OB hatte einen eigenen.
    »So«, sagte der OB etwas verlegen, weil ihm so feierlich zumute war, »dann ist diese Angelegenheit wohl sozusagen durchdiskutiert. Dann bleibt für mich nur noch eins. Dann sage ich dir, Carl, etwa wie sie in der Revierwache Hill Street sagen, paßt auf euch auf da draußen.«
    Carl antwortete nicht, sondern lächelte nur, schüttelte den Kopf und streckte die Hand zum Abschied aus.
    »Wann fährst du übrigens nach Karlsborg?« fragte der Oberbefehlshaber, als er auf den Rücksitz seines Wagens sank.
    »Frühestens morgen abend, da das Wetter im Augenblick recht stabil ist. Außerdem muß ich im Kindergarten das Lucia-Fest mitfeiern«, erwiderte Carl, als wäre es die selbstverständlichste Sache der Welt. Der OB warf ihm einen fragenden und zweifelnden Blick zu, knallte die Autotür zu und verschwand hinter den schwarzgetönten Scheiben.
    »Stimmt das?« fragte Samuel Ulfsson, als sie allein auf dem Bürgersteig standen.
    »Was denn? Meinst du das mit dem Wetter?« fragte Carl unschuldig zurück.
    »Nein, nicht das Wetter. Ich meine das Lucia-Fest im Kindergarten.«
    »Ach so, das. Aber ja. Würdest du nicht die Gelegenheit nutzen, dich von deinem Kind zu verabschieden? Außerdem fällt es mir dann leichter, Tessie zu erklären, daß ich zwar verreisen, das Lucia-Fest im Kindergarten aber trotzdem mitmachen muß. Dann hört sich alles nicht so gefährlich an.«
    »Nein, verstehe«, sagte Samuel Ulfsson und hielt Carl die Wagentür auf, der sich instinktiv weigerte, als erster einzusteigen. Er lehnte ab und zwang Samuel Ulfsson auf den Rücksitz, bevor er selbst um den Wagen herumging und auf der anderen Seite einstieg.
    Als Carl eine Viertelstunde später sein Dienstzimmer betrat, machte er die Tür sorgfältig hinter sich zu, setzte sich an den leeren Schreibtisch und betrachtete das Telefon. Bestimmte Unannehmlichkeiten des Lebens mußte er noch erledigen, am liebsten schnell, bevor er losfuhr.
    Der Immobilienmarkt war vor rund einem halben Jahr zusammengebrochen, und zwar schlimmer, als er selbst geglaubt hatte. Die Spekulanten wurden aus ihren Häusern vertrieben, sahen sich gezwungen, ihre Weinkeller schwarz zu verkaufen, und flüchteten in Scharen außer Landes. Ihre letzten Geldscheine hatten sie sich noch schnell zerknüllt in die Hosentaschen gesteckt.
    Eins der Spekulationsunternehmen, die gerade in Konkurs gegangen waren, hatte Carls Immobilienbestand gekauft. Er rief die Bank an, erhielt die Telefonnummer des Konkursverwalters, rief diesen an und erbot sich, den gesamten Bestand für fünfundzwanzig Prozent des Preises zurückzukaufen, den er im Frühsommer erhalten hatte. Es wurde eine sehr kurze Verhandlung. Man einigte sich auf dreißig Prozent. Sie verabredeten, sich eine Stunde später in Carls Bank zu treffen.
    Er stellte schnell einige überschlägige Berechnungen an. Infolge all seiner wirren und irrationalen ökonomischen Operationen des letzten halben Jahres, die sehr viel mehr mit seinem geplanten Tod als mit Ökonomie zu tun gehabt hatten, belief sich sein Verdienst auf ungefähr hundert Millionen Kronen.
    Das machte einige Korrekturen in seinem Testament notwendig. Nach Lage der Dinge sollten vierzig Millionen für einen Kulturfonds gestiftet werden, doch dieser Betrag ließ sich jetzt aufstocken. Überdies mußten Tessie und Eva-Britt seiner einzigen leiblichen Erbin gegenüber eine sicherere Stellung erhalten. Er rief seinen Anwalt an und bat ihn, zur Bank zu kommen und die Testamentsunterlagen mitzubringen, damit alles in einem Aufwasch erledigt werden konnte. Dann blieb nur noch das Lucia-Fest im Kindergarten, seine einzige Pflicht vor der Abreise.
    Åke

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