Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
Vom Netzwerk:
Vielleicht lag es daran, daß sie es nicht mehr weit bis nach Hause hatten. Sie würden auf der anderen Seite der Grenze abspringen und dann in ihrem ganzen Leben nie mehr schmuggeln, sagten sie. Alle anderen hatten noch eine weitere Reise vor sich, zunächst nach Norwegen, um dann an Bord eines Schiffs zu gehen, auf dem sie mit einem Arbeitstrupp, der Ablösung beim Schrottbergungsprojekt, nach Murmansk zurückfahren sollten. Erst nach der unbemerkten Einreise in Murmansk konnten sie sich sicher fühlen. Falls der eine oder andere nicht versuchte, sich in Finnland abzusetzen.
    Aber dann stellte sich wieder die Frage des Geldes. Hunderttausend Dollar waren in Rußland ein unfaßbar großes Vermögen. Es würde für das ganze Leben reichen und für ein Leben im Überfluß dazu.
    Juha und Jorma hatten demgegenüber vergleichsweise bescheidene Pläne. Sie hatten nur den Wunsch, sich ein Haus zu kaufen. Was sie betraf, reichte das Geld dafür und nicht für mehr. Aber dennoch waren sie immer besserer Laune und mehr zu Scherzen aufgelegt als jeder andere Teilnehmer der Expedition.
    Kolja hatte herauszufinden versucht, ob das Geld tatsächlich nicht für mehr als ein Haus reichte. Sie hatten jedoch lachend versichert, nur im Norden Finnlands könne man mit hunderttausend Dollar etwas anfangen. Unten im Süden, in der Gegend von Helsinki, bekämen sie für diese Summe nur ein recht kleines und jämmerliches Häuschen. Sie beklagten sich aber nicht, sondern meinten vielmehr, es sei eine ganz hervorragende Bezahlung für eine einzige Schmuggeltour. Sie hätten bisher mit Fellen gehandelt und seien kreuz und quer über die Grenze gegangen. Wenn sie damit weitermachten, erzählten sie, müßten sie mehrere Jahre schuften, um einen entsprechenden Betrag zusammenzubekommen. Jetzt würden sie gut wohnen, heiraten, fischen und auf die Jagd gehen und das Leben führen, das sie sich mehr als alles andere wünschten. Nein, sie hätten wahrlich keinen Grund, nach mehr zu schmachten, obwohl sie wohl einsähen, daß das Geld für die russischen Kameraden einen ganz anderen Wert habe, allerdings nur, wenn sie zu Hause blieben.
    Kolja phantasierte eine Weile über sein Leben nach der Heimkehr. Er würde außerdem bei Mike weiterhin Geld verdienen können; das mußte er schon tun, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Er durfte nicht als ein Mann entlarvt werden, der viel zu schnell viel zu reich geworden war. Er dachte wieder daran, welche Feste er in seinem neuen Haus geben würde, daß er sowohl seine Familie als auch die von Onkel Alexej und alle Freunde einladen würde. Er konnte nicht umhin, daran zu denken, wie dankbar sie sein und wie sehr sie ihn bewundern würden, obwohl solche Gedanken ziemlich schändlich waren. Sein Vater und sein Onkel waren trotz allem richtige Bären von Männern, beide für ihren Dienst in der Sowjetflotte mehrfach dekoriert, und beide bekleideten sehr verantwortungsvolle Positionen. Dann gab sich Kolja eine Zeitlang angenehmen sexuellen Phantasien hin und dachte daran, was er nach sechs Wochen Enthaltsamkeit nachzuholen hatte und mit welchen Frauen er es nachholen würde; schon jetzt konnte er in Murmansk jede Frau bekommen, die er wollte. Vielleicht sogar in Moskau, doch das blieb noch abzuwarten.
    Jedenfalls gab es keinerlei Grund für etwas anderes als strahlende Laune. Außerdem war das Wetter erneut umgeschlagen. Dicke Wolken schwebten in geringer Höhe heran, und die Temperatur war seit dem Vortag gestiegen, so daß niemand mehr frieren mußte. Die Wolken sind wirklich meine Freunde, dachte er und sah zu den immer dichteren Wolkengebirgen hoch, die von Westen herantrieben. Westwind und eine dichte Wolkendecke. Was konnte er sich im Augenblick mehr wünschen?
    Der Wetterumschwung war schnell erfolgt und sofort von den Meteorologen in Luleå an den Stockholmer Generalstab und von dort nach Karlsborg gemeldet worden. Dichte Wolken in geringer Höhe über dem Zielgebiet und westlicher Wind. Mit anderen Worten: perfekte Verhältnisse.
    Sie waren in einer halben Stunde startklar. Während Carl noch einmal mit den Piloten sprach, gingen Åke Stålhandske und Edvin Larsson ein letztes Mal die Liste mit der Ausrüstung durch. Das gesamte Material, angefangen bei der Kleidung bis hin zur technischen Ausrüstung, war in verschlossenen Räumlichkeiten am Ende eines Hangars von F 6 verstaut, und als Carl und die drei anderen erschienen, hatten sich Åke Stålhandske und Edvin Larsson schon umgezogen, ausgerüstet

Weitere Kostenlose Bücher