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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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da sie nicht mit Sicherheit wissen konnten, ob der Gegner auf die zu erwartende Vorsichtsmaßnahme verzichtete, eine Vorauspatrouille mit leichter Ausrüstung loszuschicken. Bei näherer Überlegung hatte es jedoch den Anschein, als hätte der Gegner dazu nicht genügend Leute. Sie waren zwölf Mann auf drei Schlitten, und mindestens zwei der Schlitten mußten fast eine Tonne wiegen. Sie brauchten sicher vier Mann pro Schlitten und mußten überdies gelegentlich einen Wechsel vornehmen, damit jeder mal leichter, mal schwerer zu ziehen hatte. Im Grunde war es eine beachtliche Leistung, eine solche Ladung dreihundert Kilometer durch die Wildnis zu ziehen. Und es beinahe zu schaffen…
    Sie standen am nächsten Tag lange vor der Morgendämmerung auf und liefen dem Gegner rund zehn Kilometer entgegen, bevor sie ausschwärmten und ihre Nachtbrillen aufsetzten. Es war natürlich kalt und langweilig, Stunde um Stunde dazustehen, zu lauschen und ins Nichts zu starren, aber andererseits fror einen weniger, wenn man sich auf einer vielversprechenden Jagd befand, die interessante Beute versprach. Überdies konnten sie ihrer Sache hier sehr sicher sein.
    Es war wieder Lars Andersson, der als erster Sichtkontakt bekam. Als es langsam hell wurde, beobachtete er die Expedition in etwa einem Kilometer Entfernung und konnte ihre Position melden. Er sagte, die Gegner schienen sich darauf einzurichten, während der hellsten Tagesstunden zu ruhen.
    Carl befahl seinen Männern, sich zu sammeln. Dann fuhren sie auf ihren Skiern gemeinsam auf das Ziel zu, hielten in etwas weniger als fünfhundert Meter Entfernung inne und legten alle Ausrüstung ab, die sie in den nächsten Stunden nicht brauchen würden. Sie kontrollierten ihre Waffen und setzten den Weg zum Ziel langsam fort.
    Die Gegner hatten ihr Lager in dem dichtesten Teil des Nadelwaldes aufgeschlagen, den sie hatten finden können, um so ihre Tarnnetze besser befestigen zu können. Carl und seine Männer konnten schnell erkennen, daß die Gegner keine Wachposten aufgestellt hatten. Vermutlich waren alle seit langem daran gewöhnt, während der hellen Tagesstunden einfach zu schlafen, nachdem sie vorher vielleicht etwas gegessen hatten. Sie schliefen wohl, bis es wieder völlig dunkel war.
    Carl und seine Männer näherten sich vorsichtig, ohne da vorn irgendein Anzeichen von Bewegung zu entdecken, obwohl sie das Lager, die drei zugedeckten Schlitten und die vier etwas plumpen Zelte deutlich sahen.
    »Befehl wie folgt«, flüsterte Carl, als sie in nur zweihundert Meter Entfernung anhielten und das Ziel betrachteten. »Major Larssons Gruppe von Norden her, meine Gruppe von Süden her. Sofort feuern, wenn ihr seht, daß jemand eine Waffe hebt, sonst nicht schießen. Wir wollen versuchen, zunächst alle zwölf zu verhören. Also los!«
    Er nahm Åke Stålhandske und Hauptmann Lars Andersson mit, und als sie jetzt näherkamen, nahmen sie ihre leichten Maschinenpistolen von der Schulter und entsicherten sie. Sie bewegten sich langsamer, um die Laute des weichen, feinkörnigen Schnees zu verringern. So gelangten sie fast lautlos bis zu den Zelten. Carl gab ein Zeichen, sie sollten die Zelte umstellen, und als es soweit war, schoß er eine Salve in die Luft und rief auf russisch, alle sollten mit den Händen über dem Kopf herauskommen. Es kam sofort zu einem Tumult in den Zelten, und Carl wiederholte den Befehl. Dann gab er Åke Stålhandske ein Zeichen, er solle den Befehl auf finnisch wiederholen. Es hatte den Anschein, als hätte Åke eine bessere Wirkung erzielt, denn in einer der Zeltöffnungen tauchten sofort ein paar verschlafene und erschrockene Gesichter auf. Es wurde etwas auf finnisch gerufen, was Åke Stålhandske beantwortete, während er gleichzeitig mit deutlichen Armbewegungen zeigte, die Männer sollten schnellstens herauskommen und sich aufstellen.
    Nach und nach kamen die Männer heraus. Die meisten sahen eher zornig und resigniert als ängstlich aus. Der letzte hielt eine Waffe mit dem Kolben nach vorn vor sich, um zu zeigen, daß er sich ergab. Sobald er aus dem Zelt war, warf er die Waffe von sich. Kurz darauf standen zwölf Mann im Schnee und hielten die Hände hinter den Köpfen verschränkt. Carl befahl, sie zu durchsuchen, worauf die Gefangenen einzeln eine Leibesvisitation über sich ergehen lassen mußten. Keiner hatte eine Waffe bei sich. Sie mußten so stehenbleiben, während die Zelte untersucht wurden.
    Als das erledigt war, fuhr Carl auf seinen Skiern ein

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