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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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wie Carl es ihm gezeigt hatte. Carl drehte jetzt den Körper so, daß er der Bewegung des Amerikaners gleichsam folgte, und fragte:
    »Und wie steht es mit Ihnen, Mr. Emerson? Wissen Sie auch nicht, wem Sie diese außerordentlich wertvolle Fracht liefern sollen?«
    »Nein, es ist so, wie der Junge hier gesagt hat« erwiderte Richard Emerson mit optimistischem Eifer. »Aus Sicherheitsgründen weiß keiner von uns darüber Bescheid, nämlich für den Fall, daß beispielsweise geschehen sollte, was jetzt geschehen ist. In operativer Hinsicht ist das ja durchaus logisch, das müssen Sie doch einsehen?«
    »Wie bedauerlich, das zu hören«, sagte Carl. Der seidenweiche Tonfall war jetzt aus seiner Stimme verschwunden. Dann wandte er sich zu dem letzten der vier Fallschirmjäger um, der noch keinen Menschen getötet hatte.
    »Hauptmann Edström, bitte erschießen Sie den Mann, der dort ganz hinten steht!« befahl Carl und zeigte auf das Opfer. Der Mann hatte gar nicht mehr Zeit, Furcht zu empfinden, als er schon von einer Geschoßgarbe umgemäht wurde; Hauptmann Martin Edström hatte vorhergesehen, daß er in der Schlange des Todes als nächster an der Reihe war, und schoß schnell und fast erleichtert, als der Befehl endlich kam.
    Carl betrachtete nachdenklich das Ergebnis der letzten Salve und grübelte eine Weile darüber nach, warum die noch nicht Hingerichteten einfach nur dastanden und darauf warteten, daß sie an die Reihe kamen, und warum nur einer von ihnen Verstand genug gehabt hatte, zumindest einen Fluchtversuch zu wagen. Was hätte er selbst getan? Er hätte jedenfalls nicht nur wie ein Schaf dagestanden und auf sein Ende gewartet.
    »Well, Mr. Emerson III.?« fragte er in dem gleichen sanften, geheuchelt freundlichen Tonfall wie zuvor. »Sie sind doch wohl nicht der Meinung, daß es so weitergehen kann? Ich wiederhole jetzt die Frage. Wer soll die Ware bekommen?«
    »Und ich muß meine Antwort wiederholen, Sir«, sagte der Amerikaner unsicher. »Keiner von uns ist mit solchen Informationen betraut worden.«
    »Very well«, sagte Carl und wandte sich ungeduldig um. Diesmal sagte er nichts, sondern zeigte nur kraftvoll mit der ganzen Hand, erst auf Lars Andersson, dann auf den Mann, der jetzt der letzte in der Reihe war. Neue Schüsse fielen, doch diesmal wollte sich der Tod nicht gleich einstellen. Der angeschossene Mann fiel erst um, und es sah zunächst aus, als wäre er tödlich getroffen worden. Nach einigen Sekunden begann er sich jedoch zu bewegen und schleppte sich mit den Armen im Schnee vorwärts. Der Unterkörper schien gelähmt zu sein. Irgendwo ein Treffer im Rückgrat, dachte Carl und überlegte, ob er den Mann kriechend sterben lassen sollte. Mehr als ein paar Meter würde er nicht schaffen. Carl ließ den Gedanken jedoch schnell fallen. Das Ganze näherte sich ohnehin dem Ende.
    »Machen Sie dem sofort ein Ende, Hauptmann Andersson!« befahl er scharf, und sein junger Kollege sah aus, als wäre er aus einer Art Lähmung herausgerissen worden. Er brachte schnell seine Waffe hoch, zielte auf den Kopf des kriechenden und stöhnenden Mannes und feuerte zwei Schuß ab, die gut und mit sofortiger Wirkung trafen.
    »Well well well, Mr. Emerson«, fuhr Carl mit einem theatralischen Seufzer fort. Dann wandte er sich erneut dem Amerikaner zu, der sichtlich weicher geworden war. »Dies wird ja eine ziemlich eintönige Beschäftigung, bis wir so weit sind, daß nur noch Sie übrigbleiben. Wie sollen wir dieses Problem Ihrer Meinung nach eigentlich lösen? Machen Sie mir einen konstruktiven Vorschlag, Mr. Emerson!«
    Carl hatte einen scheinbar fast flehentlichen Ton angeschlagen.
    »Sie wissen, daß Sie mich nicht töten können, Sir«, sagte der Amerikaner nervös zu Carl. »Als amerikanischer Offizier können Sie einen solchen Befehl nicht geben, der sich gegen einen amerikanischen Staatsbürger richtet. Es ist Ihre Pflicht und Schuldigkeit, mich unseren Behörden zu übergeben. Das gilt hier ebenso wie in Kalifornien.«
    Carl betrachtete sein Opfer mit einem feinen Lächeln, das sich plötzlich in den Mundwinkeln zeigte. Der Mann hielt ihn offenbar für einen Amerikaner und hatte ihn aufgrund seiner Aussprache auf der Karte seines Heimatlandes sogar richtig untergebracht.
    »Lassen Sie mich raten, woher Sie kommen, Mr. Emerson«, begann Carl freundlich. »Sagen wir Tennessee?«
    »Kentucky«, entgegnete der andere mit neuem Selbstvertrauen.
    »Nun, so ganz falsch war es ja nicht. Jedenfalls haben wir es

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