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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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revanchierte sich damit, wie Carl vor einigen Jahren plötzlich wie ein Traum aus der Vergangenheit aufgetaucht und von ihrem damaligen Mann hinausgeworfen worden sei, der gedroht habe, seine Hunde auf ihn zu hetzen. Carl habe erwidert, es wäre »schade um die Hunde«. Dann erzählte sie, wie ungeschickt Carl sich mit dem Ehering angestellt habe. Anna gab zum besten, wie Åke Rotwein auf das weiße Brautkleid geschüttet habe. Es waren Geschichten, die den unbewußten Zweck hatten zu zeigen, daß die Männer der beiden wie alle anderen waren, möglicherweise etwas unbeholfener als andere, jedenfalls in bestimmten Situationen, aber sonst wie alle anderen. Und im Augenblick waren sie zufällig vor Weihnachten auf einer kleinen Dienstreise.
    Dieser Selbstbetrug fiel ihnen schwer, und sie liefen trotzdem ständig Gefahr, auf das falsche Thema zu sprechen zu kommen. Wie beispielsweise diese Geschichte mit den Hunden, als Carl gesagt habe, es sei schade um die Hunde. Das seien übrigens ziemliche Bestien gewesen. Man hätte glauben können, es sei nur ein selbstbewußter Scherz gewesen. Aber später habe sie einmal gefragt, und da habe er humorlos und sachlich erwidert, aber ja, selbstverständlich hätte er die Hunde getötet.
    Und damit war plötzlich die falsche Art Geschichte erzählt, eine Geschichte von Männern, die ganz und gar nicht auf einer gewöhnlichen Dienstreise waren, sondern von Männern, die mit ihren bloßen Händen Dobermänner töten konnten.
    Es gelang den beiden Frauen nicht, ihrer Unruhe zu entkommen. Sie konnten sich nicht mit Scherzen und fröhlichen Geschichten vor der fragenden Verwunderung retten, die sie empfanden. Schließlich stellte Tessie entschlossen die Teeplörre beiseite, wie sie in ihrem lustigen, aber durchaus begreiflichen Schwedisch sagte, und holte eine Flasche Wein und zwei Gläser. Carl zufolge sollte es ein Wein sein, von dem der Alte besonders entzückt war. Ob der Alte wohl…? Ach was! Da waren sie wieder beim Thema.
    »Ich glaube, sie sind in Finnland, in der Nähe der russischen Grenze«, sagte Anna nachdenklich. »Åke rief vor ein paar Tagen aus der Hütte an und sagte, er wolle eine Zeitlang auf die Jagd gehen und fischen, werde aber zu Weihnachten wieder hier sein.«
    »Glaubst du das?« fragte Tessie skeptisch.
    »Daß er in Finnland ist oder Weihnachten wieder zu Hause ist? Ja, ich glaube beides. Du etwa nicht?«
    »Carl hat überhaupt nichts von Finnland gesagt. Er hat gar nichts gesagt«, erwiderte Tessie. »Wenn es aber nur um Finnland gegangen wäre, hätte er doch etwas sagen können.«
    »Nur um Finnland? Was meinst du mit nur Finnland? So nur ist das doch auch nicht«, sagte Anna, deren Augen die Besorgnis anzusehen war. Sie trank einen kräftigen Schluck von dem Rotwein. Sie war Wein nicht gewohnt und hätte sich um ein Haar verschluckt.
    »Ich weiß nicht«, sagte Tessie unsicher, »ich weiß nicht, was ich glauben soll. Aber Åke hat von etwas erzählt, was aus Rußland herausgeschmuggelt werden sollte, war es nicht so?«
    »Ja, aber er hat nichts davon gesagt, daß er selbst nach Rußland sollte, ganz im Gegenteil. Nein, ich glaube immer noch, daß er da oben in der Hütte bei Ivalo ist.«
    »Was schmuggelt man denn aus Rußland?« fragte Tessie nachdenklich.
    »Das weiß ich! Das habe ich selbst gesehen«, sagte Anna triumphierend und übertrieben munter, als glaubte sie selbst nicht so recht daran. »Sie schmuggeln Wolfsfelle und Vielfraßfelle nach Finnland und Norwegen!«
    »Aber ja«, entgegnete Tessie ironisch, »selbstverständlich schickt Schweden den stellvertretenden Chef des Nachrichtendienstes und seinen engsten Mitarbeiter in den hohen Norden, um dem Schmuggel von Vielfraßfellen aus Rußland ein Ende zu machen. Das versteht ja jedes Kind, daß wir im Interesse des Weltfriedens dem entsetzlichen Export von Vielfraßfellen aus Rußland ein Ende setzen müssen.«
    »Also was glaubst du?« wollte Anna wissen.
    »Na ja«, sagte Tessie mit einem Seufzer, »was gibt es denn in Rußland, was so wichtig sein könnte? Weißt du, was der Alte sagte, als er zum Essen bei uns war? Ja, in Rußland gebe es nur drei Dinge von Bedeutung, Kaviar, Touristensouvenirs und 27 000 atomare Gefechtsköpfe. Das hat er jedenfalls gesagt.« Anna gab darauf lange Zeit keine Antwort, und Tessie verfolgte ihren Gedankengang nicht weiter. Es war, als könnte man sich daran verbrennen, als sagte die gleiche Intuition, die auf diese Spur geführt hatte, jetzt plötzlich, sie

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