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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Stück auf die Gruppe zu und befahl, alle sollten sich umdrehen, so daß sie ihn sähen. Dann fragte er langsam auf russisch, ob jemand wisse, was sich in den großen Stahlkoffern auf den Schlitten befinde. Er bekam keine Antwort. Alle Männer vor ihm wichen seinem Blick aus und starrten in den Schnee zu ihren Füßen.
    Da wiederholte er seine Frage auf englisch, wiederum ohne eine Antwort zu erhalten. Er gab Åke Stålhandske ein Zeichen, die Frage auf finnisch zu wiederholen. Immer noch keine Antwort.
    »Aha, so wollen wir das also haben«, sagte Carl und zählte dann laut und deutlich, während er mit dem Zeigefinger zeigte: Ene mene mu, raus bist du, bis sein Zeigefinger beim letzten Mann verweilte.
    Er machte einen Schritt zurück, um nicht vollgespritzt zu werden, drehte sich zu den anderen um und entdeckte als ersten den verbissen dastehenden Lars Andersson, der seine Waffe mit weiß werdenden Knöcheln hielt, sowohl wegen der Kälte als auch wegen des verkrampften Griffs.
    »Haben Sie die Güte, Hauptmann Andersson, diese Person zu erschießen!« befahl Carl und zeigte auf den Mann.
    Lars Andersson zögerte. Carl drehte sich erneut zu ihm um und sah ihn freundlich fragend an.
    »Haben Sie den Befehl nicht verstanden, Hauptmann Andersson?« fragte er. »Ausführen!«
    Nach nochmaligem kurzem Zögern schoß Lars Andersson eine Salve direkt auf den Körper des bezeichneten Mannes ab, der beim Aufprall der Geschosse nach hinten fiel und sich in kurzen Todeszuckungen wand, während die Männer, die neben ihm standen, sich instinktiv abwandten.
    »Nun«, fuhr Carl auf russisch fort. »Dann wiederhole ich meine Frage. Kann mir jemand sagen, was ihr von Murmansk bis hierher mitgeschleppt habt?«
    Er erhielt immer noch keine Antwort, obwohl er bei einigen Zweifel und Furcht zu bemerken glaubte. Er zuckte die Achseln und begann erneut mit seinem ene mene mu.
    Doch da schrie Kolja, er wisse es, und es gebe keinen Grund, noch mehr Männer zu erschießen, da er als einziger Bescheid wisse.
    »Wie interessant. Sehr interessant«, sagte Carl und lief auf Kolja zu, den er mit etwas wie freundlicher Neugier betrachtete. »Falls du dich fragst, was wir für welche sind, kann ich sagen, daß wir besorgte Nachbarn aus Skandinavien sind. Nun, was enthält eure Ladung?«
    »Etwas sehr Gefährliches…«, murmelte Kolja, der dann den Faden zu verlieren schien.
    »Aber selbstredend«, sagte Carl. »Sehr gefährlich. Ihr könntet allesamt sterben, wenn ihr euch jetzt nicht in acht nehmt. Los jetzt, raus mit der Sprache!«
    »Atomwaffen, sechs Atomwaffen«, gestand Kolja, und die augenblickliche und zutiefst erschrockene Reaktion bei mehreren der Männer ringsum illustrierte deutlich Koljas Behauptung, daß die meisten tatsächlich keine Ahnung hatten, was sie da durch die Wildnis schleppten.
    In diesem Augenblick entschloß sich Juha zu etwas Unmöglichem. Wenn sie tatsächlich Kernwaffen geschleppt hatten, würde das vermutlich Hinrichtung in Rußland oder lebenslanges Zuchthaus in Finnland heißen. Er begann verzweifelt loszulaufen, was in dem tiefen Schnee nicht leicht war.
    Åke Stålhandske hob automatisch seine Waffe, aber Carl bekam einen Einfall und wehrte mit einer Handbewegung ab. Dann drehte er sich zu den anderen um und wies darauf hin, daß jeder Fluchtversuch sinnlos sei; er wollte mehr Informationen bekommen.
    »Bei wem sollt ihr diese Dinger abliefern, wo und wann?« fragte er Kolja. Er bekam jedoch nur ein Kopfschütteln zur Antwort. Er begann wieder mit seinem ene mene mu , und Koljas Nervosität steigerte sich sichtlich. Doch zunächst gelang es ihm, sein Zögern fortzusetzen, doch dann, als Carl mit seinem letzten du beim Nebenmann gelandet war, sagte Kolja, sie wüßten es nicht, könnten die Fragen nicht beantworten.
    »Ach nein«, sagte Carl und drehte sich um. Er begegnete Edvin Larssons Blick.
    »Haben Sie die Güte, Major Larsson, diesen Mann hier zu erschießen!« befahl er. Larsson gehorchte, ohne daß Carl den Befehl zu wiederholen brauchte.
    »Nun, mein junger Freund«, fuhr Carl zu Kolja gewandt fort, »ob wir jetzt vielleicht eine Antwort zustande bringen? Ihr müßt doch wissen, wohin ihr unterwegs seid und zu wem, nicht wahr?«
    »Man wird uns auf der anderen Seite der Grenze in Empfang nehmen«, murmelte Kolja mit gesenktem Blick.
    »Ja, tatsächlich?« sagte Carl und hob fragend die Augenbrauen zum Zeichen, daß ihm diese Antwort noch nicht genügte.
    »Wir wissen wann und wo, aber nicht wer«,

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