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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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bittend fort. »Jemand hat euch die ganze Zeit verraten, in jedem Augenblick. Jemand, der zum inneren Kreis gehörte, hat beschlossen, daß ihr alle sterben sollt. Wer und warum?«
    Richard Emerson überlegte fieberhaft. Carl überließ ihn seinen Qualen und betrachtete ihn neugierig, um zu sehen, wie das Gift der Gedanken in seinen Kopf eindrang, wie Schrecken und Mißtrauen sich mischten.
    Es kann funktionieren, dachte Carl. Wenn der ehemalige Kollege nur etwas Zeit hat und etwas mehr Hoffnung zu überleben, könnte es klappen.
    Åke Stålhandske hielt inne und wog die Skistöcke kurz in der Hand. Er hatte Sichtkontakt zu dem flüchtenden Finnen bekommen, denn soviel er sich erinnern konnte, war es einer der beiden finnisch sprechenden Männer, der sich davongemacht hatte. Die letzten Salven dort hinten waren soeben verklungen, kaum hörbar in der leicht hügeligen verschneiten Landschaft, die alle Laute dämpfte. Der Mann da vorn hatte wahrscheinlich die letzten Schüsse nicht gehört, da sein keuchender Atem alle fernen Geräusche sicher übertönte.
    Åke Stålhandske empfand eine eigenartige Bewunderung für den Burschen da vorn, der nicht mehr in Panik lief, sondern sich ökonomischer zu bewegen schien. Ihm mußte klar sein, daß seine Chancen sehr gering waren. Zwar wurde es schon allmählich dunkel, aber in der weichen oberen Pulverschneeschicht hinterließ er eine breite und deutlich sichtbare Spur, und zu Fuß konnte niemand einem Verfolger auf Skiern entkommen. Dennoch diese zielbewußte Entschlossenheit, nicht aufzugeben, das war unleugbar sisu.
    Åke Stålhandske seufzte, schüttelte den Kopf und nahm die Verfolgung in aller Ruhe wieder auf. Es gab keinerlei Grund, ins Schwitzen zu geraten. Es ist ungesund, bei so niedrigen Temperaturen zu schwitzen.
    Der Verfolgte sah sich jetzt und um und entdeckte, daß Åke dabei war, zu ihm aufzuschließen. Er war inzwischen an einen zugefrorenen Fluß in der Nähe eines Wasserfalls gelangt, der zu großen Teilen zugefroren war; man hörte das Rauschen des Wassers, das in eine riesige Kristallvase aus bizarr geformten Eisgebilden fiel.
    Auf der anderen Seite des zugefrorenen Flusses ragte ein Steilufer auf. Es würde schwierig werden, dort hinaufzukommen, sowohl mit Skiern als auch ohne. Der Verfolgte schien sich trotzdem gerade für diese Alternative zu entscheiden und steigerte seine Geschwindigkeit, als er über den zugefrorenen Fluß lief. Er schien den steilsten Teil der anderen Seite im Auge zu haben, gleich neben dem Wasserfall.
    Åke Stålhandske beschloß, auf seine Bequemlichkeit zu pfeifen und doch Anstrengung und Schweiß auf sich zu nehmen. Er kam fast bis an seine Leistungsgrenze und näherte sich seinem Opfer sehr schnell.
    Er holte den jungen Finnen in genau dem Augenblick ein, in dem dieser die Stelle erreicht hatte, die er offenbar hinaufklettern wollte. Er kam jedoch in dem weichen Pulverschnee nicht von der Stelle, sondern rutschte nach ein paar Metern herunter. Er gab sich nicht geschlagen, sondern versuchte es nochmals.
    Åke Stålhandske betrachtete wehmütig sein unrettbar verlorenes Opfer, schnallte die Skier ab und begann, der Entscheidung entgegenzustapfen.
    Da gab der Finne auf. Er setzte sich in den Schnee, breitete resigniert die Arme aus und lächelte Åke Stålhandske an.
    »Man muß es doch jedenfalls versuchen, verdammt noch mal«, sagte er auf finnisch.
    »Ja«, sagte Åke Stålhandske düster und zog sein Messer aus dem Gürtel. Er trat vor und setzte das Knie und sein gewaltiges Gewicht auf den Jungen, packte ihn mit der linken Hand an dem blonden, verschwitzten, zum Teil vereisten Haarschopf und kippte den Kopf nach hinten, so daß der Hals entblößt war. Der Junge dampfte kräftig nach Schweiß und Körperwärme und keuchendem Atem. Er sah Åke Stålhandske in die Augen und versuchte plötzlich, mit der rechten Faust nach Åke Stålhandskes Gesicht zu schlagen. Er traf jedoch nicht und schien dann aufzugeben, endlich aufzugeben.
    »Hölle und Teufel, ich habe gar nicht gewußt, daß wir Atombomben durch die Gegend geschleppt haben«, keuchte er. Åke Stålhandske erkannte, daß er den tödlichen Schnitt schon längst hätte führen müssen, daß etwas nicht stimmte, daß er in eine Sackgasse geraten war.
    »Hör zu, du kleiner Scheißer«, sagte er, ließ seinen Griff los und setzte sich neben Juha, der verblüfft ins Leben zurückkehrte. »Hör mal, du kleiner Scheißer, wie zum Teufel kannst du dich so reinreiten?«
    »Du

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