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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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bist Wasserschwede, was?« fragte Juha vorsichtig und setzte sich etwas aufrechter hin. Um ihn herum stand eine Dampfwolke.
    »Na ja«, sagte Åke Stålhandske mit einem feinen Lächeln, »wir beide befinden uns vielleicht in einer Lage, du und ich, in der wir mit Beleidigungen anderer Nationen etwas vorsichtiger umgehen sollten. Finnlandschwede, wenn ich bitten darf. Wenn dir mein Finnisch nicht paßt, müssen wir englisch sprechen.«
    »Nein, so habe ich es nicht gemeint. Dein Finnisch ist ganz okay dafür, daß du ein… Finnlandschwede bist«, sagte Juha schnell und begütigend.
    Åke Stålhandske betrachtete melancholisch die schwarze Messerklinge in seiner Hand, sah dann hoch und blickte Juha in die Augen. Typischer junger Finne, ein bißchen hartgesotten, eisblaue Augen und fast weißes kurzgeschorenes Haar, drei Wochen alte weißblonde Bartstoppeln, ziemlich schütter.
    »Alle Teilnehmer dieser Expedition müssen sterben«, sagte Åke Stålhandske nachdenklich. »Es dürfen keine Zeugen übrigbleiben. Nichts darf jemals herauskommen. Außerdem hat man euch verraten. Ihr wart nur als Opfer auserkoren. Ihr solltet nur getötet werden und nichts sonst.«
    »Ich schwöre, daß ich nichts verraten werde«, sagte Juha mit einem plötzlichen Funken von Hoffnung.
    »Aber ja. Ja, das versteht sich«, schnaubte Åke Stålhandske düster. »Was zum Teufel solltest du in deiner Lage sonst wohl sagen. Wir haben den Befehl, euch allesamt zu töten. Es ist ein Befehl, auf den wir keinerlei Einfluß haben. Der Befehl kommt aus mehreren Hauptstädten der Welt, aus Helsinki und Stockholm übrigens auch. Sag mal, wie heißt du eigentlich?«
    »Juha. Juha Salonen. Aber kannst du mich nicht laufen lassen?«
    »Wie zum Teufel soll ich das erklären, wenn ich zu den anderen zurückgehe? Dann würden sie übrigens nur eine Patrouille hinter dir herschicken.«
    »Es ist schwer, mich in der Dunkelheit aufzuspüren. Es wird in zehn Minuten dunkel.«
    »Nein, nicht für uns. Wir können im Dunkeln sehen.«
    »Ich könnte dich niederschlagen.«
    Åke Stålhandske, der kurz zur Seite geblickt hatte, als ob er sich schämte, wandte sich jetzt verblüfft seinem kleinen Gefangenen zu und sah ihm in das ernste junge Gesicht. Es war dem Jungen anzumerken, daß er sich den Kopf zerbrach. Es gelang Åke, sich das Lachen zu verbeißen, das schon in ihm aufstieg.
    »Nein«, sagte er ernst, »ich glaube, ich würde einige Schwierigkeiten mit der Glaubwürdigkeit bekommen, wenn ich ohne dich zurückgekrochen käme. Und dann noch mit einer solchen Erklärung. Sie würden sofort eine Patrouille losschicken und mich schlimmstenfalls wegen Befehlsverweigerung erschießen. Du siehst also, Juha, du hast dich wirklich reingeritten.«
    »Würdest du denn nicht die Schnauze halten, wenn es um dein Leben ginge?« flehte Juha.
    »Na ja«, sagte Åke Stålhandske mit rauher Stimme. »In deiner Situation würde ich natürlich alles versprechen. Findest du dich in dieser Gegend zurecht?«
    »Teufel auch, natürlich kenne ich mich hier aus«, versicherte Juha eifrig. »Ich bin schon lange mit dem beschäftigt, was wir hier oben Grenzhandel nennen.«
    »Vielfraßfelle?« lächelte Åke Stålhandske.
    »Ja«, bestätigte Juha. »Das und noch einiges andere.«
    »Hab ich es mir doch gedacht. Weißt du, wo ihr über die Grenze gehen solltet?«
    »Ja. Selbstverständlich.«
    »Und du weißt auch wann?«
    »Ja.«
    »Es sind fast dreißig Kilometer. Das schaffst du nicht zu Fuß und ohne Ausrüstung«, stellte Åke Stålhandske fest.
    »Ein bißchen hart wird es schon«, stimmte Juha zu.
    Jetzt konnte Åke Stålhandske das Lachen nicht mehr zurückhalten.
    »Ein bißchen hart?« sagte er amüsiert, als das Lachen sich gelegt hatte. »Ein bißchen hart, ja, das könnte man sagen. Es ist zwar ein milder Winter, und wir haben nur zwischen zwanzig und dreißig Grad minus. Zu Fuß ohne Proviant und Brennstoff. Ja, es wird schon ein bißchen hart.«
    Juha sah keinen Anlaß, Einwände zu erheben, und eine Zeitlang saßen sie schweigend nebeneinander. Plötzlich stand Åke Stålhandske auf, streckte einen Arm aus und zog Juha mit sich hoch.
    »Komm«, sagte er, »wir wollen uns mal was ansehen. Es wäre übrigens am besten, du würdest jetzt die Jacke zuknöpfen, sonst bildet sich Eis an deinem Körper.«
    Sie stapften auf den halb zugefrorenen Wasserfall zu. Er sah aus wie eine große Glaskuppel, und darunter war tosender Lärm zu hören. Neben dem innersten Teil des

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