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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Kernwaffen seitens bestimmter Republiken unmöglich zu machen. Du weißt, von welchen ich spreche. Nein, unterbrich mich jetzt nicht, Boris. Wie gesagt. Wir haben erstens mehr als ein Drittel ihrer Waffen an uns genommen oder sie unbrauchbar gemacht. Eine ganze Menge Material dieser Art lagert jetzt zum Beispiel in den Atom-U-Bootsbasen im Litsafjord. Nun, als sie uns auf die Schliche kamen, haben sie uns einige Schwierigkeiten gemacht, so daß wir dieses Projekt nicht vollenden konnten. Hingegen haben wir sämtliche Waffen umkodiert, die wir nicht in die Hand bekommen haben. Das bedeutet, daß die Codes, die du am Mittwoch erhältst, die einzigen in der gesamten Sowjetunion sind, die tatsächlich funktionieren.«
    »In der gesamten ehemaligen Sowjetunion«, korrigierte Boris Jelzin zufrieden. Was er bisher zu hören bekommen hatte, gefiel ihm sehr.
    »Nun ja, in der gesamten ehemaligen Sowjetunion«, seufzte Michail Gorbatschow. »Du warst derjenige, der unsere Union sprengen wollte, und es ist dir gelungen.«
    »Laß uns jetzt nicht schon wieder darüber streiten, Mischa«, grunzte Boris Jelzin zufrieden. »Was war das nächste Problem?«
    »Das nächste Problem ist verwickelter«, begann Michail Gorbatschow mit einer sichtbaren Anstrengung, ruhig und gefaßt zu bleiben. Er erweckte den Eindruck, als sähe er eine recht unsanfte Reaktion des Mannes voraus, der ihn besiegt hatte. »Wie gesagt, wesentlich verwickelter.«
    »Dann rede auch hier bitte nicht um den heißen Brei herum«, schlug Boris Jelzin leutselig vor.
    »Wie du willst, Boris, wie du willst. Seit einiger Zeit gibt es einen großangelegten Versuch, Kernwaffen von unserem Territorium außer Landes zu schmuggeln. Sie sollen auf dem sogenannten freien Weltmarkt verkauft werden. Diese Versuche sind von bestimmten Kreisen, denen es nicht an Geldmitteln fehlt, sehr gut organisiert worden. Ich bin gezwungen gewesen, auf Unterstützung im Ausland zurückzugreifen, um mit diesen unangenehmen Intrigen zurechtzukommen, und…«
    »Unterstützung aus dem Ausland? Hast du den Verstand verloren, Mischa?« unterbrach ihn Boris Jelzin, der nicht mehr an sich halten konnte. »Was für Ausländer denn, wenn ich fragen darf?«
    »In erster Linie Schweden und Amerikaner. Ich wäre dankbar, wenn ich es dir im Zusammenhang vortragen könnte. Können wir uns darauf verständigen?«
    »Von mir aus. Nur raus damit«, brummelte Boris Jelzin.
    »Nun. Die Lage ist trotz allem gar nicht so übel. Ich habe soeben von der amerikanischen Regierung Nachricht erhalten, daß der Schmuggelversuch zunichte gemacht worden ist. Die Waffen, um die es ging, sechs atomare Gefechtsköpfe, sind einige dutzend Kilometer von der finnischen Grenze entfernt von schwedischen Militärs beschlagnahmt worden. Also auf unserer Seite der Grenze, in Rußland, wenn du willst. Die Schmuggler sind alle tot, und im Augenblick ist man damit beschäftigt, sämtliche Spuren der Schmuggler zu vernichten. Wenn das erledigt ist, können wir die Dinger abholen. Das ist es, was geschehen ist.«
    Zum ersten Mal in ihrem Gespräch verlor Boris Jelzin die Initiative. Er nahm sich etwas Zeit, um zu verdauen, was er gehört hatte, und mußte sich anstrengen, um nicht aufzubrausen.
    »Erstens«, begann er mit einem ungewohnten Anflug von Zögern, »erhebt sich die Frage, wer ›wir‹ sind. Ich meine, welche ›wir‹ unsere Sachen abholen sollen.«
    »In zwei Tagen fällt das wohl zweifelsohne in deinen Verantwortungsbereich, mein verehrter Boris«, entgegnete Gorbatschow ruhig.
    Einige Sekunden später begann Boris Jelzin zu toben. Warum sei all das hinter seinem Rücken passiert? Warum erfahre er erst jetzt etwas? Welches Recht habe ein ehemaliger sowjetischer Präsident, ausländische Truppen auf russisches Territorium einzuladen, dazu noch, ohne dem Präsidenten Rußlands auch nur etwas davon anzudeuten? Wie solle die Außenwelt auf diese erwiesene Schwäche reagieren? Was werde passieren, wenn die Umwelt sich in den Kopf setze, Rußland als eine Art Klondyke für Kernwaffensucher zu betrachten?
    Für Boris Jelzin war es nicht nur eine Frage des internationalen Ansehens und des Gesichtsverlustes. Er meinte auch, es sei gefährlich, wenn bestimmte Kreise im Westen die Vorstellung bekämen, man könne ohne weiteres militärische Aktionen auf russischem Territorium durchführen oder auf dem Gebiet anderer Republiken.
    Schließlich habe man doch wohl genügend eigene Ressourcen, um da draußen in den Schneeweiten ein paar

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