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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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ins Feuer warfen, war der Schlitten. Dann blieb nur noch, vierundzwanzig Stunden lang das Feuer bei hoher Temperatur am Leben zu erhalten. Das würde ihnen keine Schwierigkeiten machen. Sie hatten die Holzmenge großzügig berechnet, und die trockenen Baumstämme waren leicht zu fällen gewesen.
    In dem Teil der Ausrüstung, den Åke Stålhandske auf eigene Faust ergänzt hatte, befanden sich einige Rollen eines feinmaschigen Netzes aus Stahldraht. Daraus hatten sie ein großes Sieb angefertigt. Außerdem hatten sie Schneeschaufeln aus Aluminium, was zunächst heitere Kommentare ihrer Kameraden ausgelöst hatte (»Ja, da sieht man’s wieder. Hier draußen gibt es viel Schnee wegzuschaufeln, aber die Streitkräfte denken eben an alles.«) In der Schlußphase mußten sie nach Zähnen suchen, die durch die Hitze noch nicht zerstört worden waren, nach Knochenresten mit Metallstiften von irgendeiner Operation.
    In den letzten sechs Stunden schaufelten sie das Feuer immer mehr zusammen, so daß es sich in einen glühenden Haufen verwandelte, der aus der Ferne nicht mehr zu sehen war, aber doch eine sehr hohe Temperatur beibehielt. Auch dies war wohl vorbereitet und gehörte zu dem Wissen, das sie sich vorher angelesen hatten.
    Während der hellen Stunden des folgenden Tages war der Rauch nicht mehr schwarz, und der Qualm von Fett und Ruß war verschwunden.
    Carl gab über Funk Anweisung, die Überwachung der Umgebung zu beenden. Die Männer sollten sich sammeln und ein Lager für die Nacht aufschlagen, um sich etwas Schlaf zu gönnen. Das rein optische Entdeckungsrisiko war jetzt minimal, und wenn die Überwachung durch die Satelliten bis jetzt keine Maßnahmen ausgelöst hatte, würde sie es wohl auch künftig nicht tun; von dort oben hatte man sicher feststellen können, daß das eigentümlich konzentrierte Feuer allmählich verglomm.
    Carl und Åke Stålhandske schliefen ein paar Stunden in einem ihrer eigenen Zelte, während die Glut immer schwächer wurde. Ihre harte Arbeit und die seelische Anspannung bewirkten, daß sie sofort und ohne jede Mühe einschliefen, da sie sich vermutlich einbildeten, das Schlimmste sei jetzt vorbei. Es war jedoch sehr die Frage, ob nicht das, was noch zu tun blieb, in Wahrheit am schlimmsten war. Sie begaben sich am nächsten Morgen noch verschlafen zu den Überresten des Feuers. Sie sprachen noch immer nicht viel und rüttelten schweigend ihr großes Sieb und kippten den schwarzen Müllsack aus.
    Anschließend schaufelten sie die Aschenreste mit ihren zwei Schneeschaufeln auf das Sieb, trugen es ein paar Meter weiter und begannen es zu schütteln, so daß die Asche durch die Maschen fiel und ein paar weiße zerbrechliche Knochenreste und anderes in kleinen Haufen übrigblieb. Die Maschen waren so eng, daß nicht einmal Zähne hindurchfallen konnten.
    Es dauerte eine runde Stunde, einen Sack mit Dingen zu füllen, die entfernt werden mußten. Schließlich verstreuten sie die Aschenreste und schaufelten den Ort des ehemaligen Lagers mit Schnee zur. Es war nur noch anhaltender Schneefall nötig, um für lange Zeit und vielleicht auf ewig die Spuren der Vernichtung zu verbergen.
    Jetzt hatten sie es natürlich eilig. Sie hatten den letzten Schlitten vollgepackt, und Carl machte sich bereit, den Peilsender zu montieren und einzuschalten, der irgendwann in der nächsten Zeit russische Hubschrauberverbände herführen sollte. Doch als die beiden Männer sich ansahen, überlegten sie es sich anders.
    Sie packten einen Teil der Ausrüstung ein, setzten einen Spirituskocher in Gang und machten Wasser heiß. Dann wuschen sie sich sorgfältig und schüttelten und bürsteten ihre Kleidung, um sie von Ruß zu befreien. Wenn sie ihre Kameraden wiedersahen, wollten sie zumindest notdürftig sauber sein. Ihre weiße Schutzkleidung war von der Motorsäge mit Blut und Fett vollgespritzt worden. Sie verbrannten die Kleidungsstücke.
    Erst danach aktivierte Carl den Peilsender und befestigte ihn mit Isolierband auf einem der stabilen Stahlkoffer.
    Sie nahmen mit den anderen Verbindung auf und meldeten ihre berechnete Ankunftszeit und die Zeit für den Weitertransport. Dann schnallten sie sich die Skier an und fuhren los. Sie drehten sich nicht um, blickten kein einziges Mal zurück.
    Ein Schwarm sibirischer Tannenhäher hatte sich dort, wo die Motorsäge gestanden hatte, laut kreischend niedergelassen. Sie fraßen gierig Knochenmarkreste und Fettstreifen.

9
    Luigi Bertoni-Svensson saß vollkommen reglos

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