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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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jede Sekunde zu gewinnen, die sich überhaupt gewinnen ließ.
    Die beiden Schneemobile verlangsamten die Geschwindigkeit und beschrieben einen recht weiten Bogen, um nicht Gefahr zu laufen, daß die Anhänger umkippten. Sie hielten nur eine Sekunde, bis die Fahrer feststellen konnten, daß alle an Bord waren. Dann gaben sie Gas und fuhren schnurgerade in derselben Spur zurück, auf der sie gekommen waren. Die meisten Männer kamen jetzt zu dem gleichen Urteil. Von dem Augenblick an, in dem es bei den russischen Grenztruppen Alarm gegeben hatte, würde es nur noch acht oder neun Minuten dauern, bis die Flüchtenden sich auf finnischem Gebiet und damit außer Reichweite befanden. Die Russen hatten kaum mehr Zeit, als ihre Samoware auszumachen und sich ihre wattierten Jacken anzuziehen, bis die Flüchtenden in Sicherheit waren; die Russen waren nicht dafür ausgebildet, Aktionen wie diese zu stoppen.
    Doch das Gefühl von Triumph und zunehmender Erleichterung, das sich bei den acht Männern breitmachte, erwies sich schnell als übereilt. Sie bekamen schnell Kontakt mit Kettenfahrzeugen, die sie von hinten aus zwei Richtungen verfolgten. Sie würden sie zwar nicht einholen, sofern die Schneemobile nicht umkippten, aber die beiden Fahrer ermahnten sich dennoch, nicht mit Höchstgeschwindigkeit zu fahren.
    Keiner von ihnen glaubte, daß das, was sie sahen, ein Anzeichen von normaler Alarmbereitschaft war. Die Russen mußten etwas erwartet haben.
    Als sie durch das Loch im Rentierzaun brausten, das Luigi und Matti Heiskanen vor ein paar Stunden herausgeschnitten hatten, spürten sie weder Triumph noch Erleichterung darüber, sich auf finnischem Boden zu befinden, obwohl sie bald sahen, daß die russischen Verfolger an der Grenze haltmachten und nicht weiterfuhren.
    Als sie einen Abschnitt mit schwierigem Hügelgelände bewältigt hatten, kamen sie auf einen schmalen langen See. Auf dem Eis ging es schneller; sie erreichten fast hundert Stundenkilometer. Das mußte genügen.
    Als sie sich dem gegenüberliegenden Seeufer näherten, um dann erneut eine Waldpartie zu durchfahren, befahl Carl, anzuhalten und die Motoren abzustellen. Sie lauschten kurz und hatten keine Mühe festzustellen, daß in der Nähe Motoren dröhnten.
    Carl überlegte ein paar Sekunden, bis er sich entschied. Er befahl Åke Stålhandske, das Eis zu durchbohren. Als Carl bei den anderen so etwas wie fragende Besorgnis spürte, sah er sich genötigt, seine Absichten zu erklären.
    »Wir sind jetzt zu Hause. In dem Sinn, daß wir für jede Gesetzesübertretung zur Verantwortung gezogen werden und nicht mehr zurückschießen können. Alle Waffen müssen deshalb hier versenkt werden, bevor wir weiterfahren und das Risiko auf uns nehmen, mit illegalen Waffen erwischt zu werden«, erklärte er.
    Åke Stålhandske ächzte schon vor Anstrengung, so schnell wie möglich die mächtige Eisschicht zu durchbohren. Er mußte zwei Löcher nebeneinander bohren, damit sie ihre Waffen sowie die beiden militärischen Funkgeräte versenken konnten.
    Die anderen starrten mit einer Mischung aus Faszination und Unbehagen den ruhig und methodisch arbeitenden Åke Stålhandske an, während sie den Motorengeräuschen mehrerer Schneemobile in der Nähe lauschten; falls die russischen Grenztruppen in Bereitschaft gelegen hatten, war es bei den Finnen das gleiche.
    Sie hatten einmal auf russischer Seite angehalten, weit draußen auf einem See, den sie für tief gehalten hatten. Dort hatten sie ein ähnliches Manöver durchgeführt. Durch das lange schmale Loch im Eis waren Asche und Knochenreste verschwunden; die Männer waren wie von einer unbekannten Kraft gezogen immer näher herangegangen und hatten mitangesehen, wie der letzte Inhalt der schwarzen Plastiksäcke in dem Eisbrei verschwand. Dann hatte jemand eine Ehrenbezeugung gemacht, und die anderen waren seinem Beispiel gefolgt. So hatten sie eine kurze Schweigeminute dagestanden. Carl hatte kein Wort gesprochen und spontan an dem Abschied von ihren Opfern teilgenommen.
    Diesmal mußte auch der Eisbohrer im Wasser verschwinden. Åke Stålhandske kratzte mit dem Absatz den Eisbrei im Loch zusammen, gab ein Zeichen, daß er fertig sei, worauf sie weiterfuhren. Sie hatten noch höchstens eine Stunde bis zur Basis und begannen, sich sicher zu fühlen.
    Doch als sie den nächsten See passierten und eine längere Waldpartie mit einem halbrunden Holzfällerpfad als möglichen Fahrweg vor sich sahen, entdeckten sie, daß Verfolger

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